Website-Icon Dominik Leitner

Wenn Plan A nicht gelingt.

Wenn man sich nicht mehr zum Schutz hinter dem literarischen Ich verstecken möchte und es gerade deshalb doppelt so schwer fällt, die richtigen Worte zu wählen: Über Dominik, der manchmal den Mut verliert und den Optimismus, der ihn immer begleitet hat. Über Dominik, der mit Scheitern konfrontiert wird und mal wieder beginnt, alles zu hinterfragen. 

Beginnen wir gleich mit dem schwierigsten Thema: Ich bin arbeitslos, beziehe Arbeitslosengeld und Mindestsicherung. Ich spreche nicht gerne darüber, weil es mich fuchtbar stört; weil ich immer dachte, dass das allen mal passiert, nur mir nicht.

Ich hab in meinem ersten Studiumsjahr mittels Twitternachricht einen geringfügigen Job im Bereich Social-Media-Marketing erhalten, hatte zwischenzeitlich einen Job im Bereich Projektbegleiter und (Quasi-)Layouter, weil ein Dozent mich empfohlen hat. An jenem Tag, als ich nach sechs Jahren beschloss, meinen geringfügigen Job zu beenden, um mir einen Job mit mehr Stunden, mehr Geld und vor allem mehr Journalismus zu suchen, bekam ich am selben Abend einen Anruf eines Regisseurs, ob ich Lust hätte, an einem neuen Dokuprojekt mitzuarbeiten. Und während der ganzen Zeit war ich auch noch Redakteur bei einem (preisgekrönten) Onlinemedium und freier Redakteur bei zahlreichen anderen Magazinen. Es hat sich bisher wirklich immer was ergeben.

Alles Schmarotzer!

Jetzt fahren eine Partei und zwei Boulevardmedien eine große Kampagne gegen Mindestsicherungsbezieher. Am Anfang habe ich mich gefragt: Wie kann ich da möglichst objektiv darüber schreiben, wenn ich sie selber beziehe? Wenn ich neben meinem Arbeitslosengeld eine Draufzahlung vom Sozialamt bekomme, um im Monat rund 820 Euro zur Verfügung zu haben? Heute denke ich mir: Wer selber noch nicht in dieser Lage war, kann in keinster Weise fundiert darüber diskutieren. In den zwei Monaten zwischen Antragsstellung und dem Erhalt des ersten Geldes lebte ich auf Sparflamme. Glücklicherweise haben mir meine Eltern Geld geliehen, aber ich ging kaum noch aus, hab jeden Cent dreimal umgedreht und hoffte einfach inständig darauf, bald die Zusage zu bekommen. Als ich dann das erste Mal das Geld erhalten habe, war es eine Erleichterung. Ein Durchatmenkönnen und kein Leben mehr von dem viel zu wenigen Ersparten und den mitunter einlangenden Honorarnoten für freie Arbeiten. Sie ist ein Schutz, ein Fangnetz, ein Rettungsschirm.

Aber warum suche ich mir keinen Job? Das ist es ja: Das mache ich, keine Sorge. Das Dokufilmprojekt hat sich um Monate verzögert, bis ich nicht mehr warten konnte und mich nach einem anderen Job umsah. Herausgekommen ist ein PR-Job. Von November bis März war ich dort angestellt – und das Wichtigste was ich dort gelernt habe: PR ist eindeutig nicht meins. Ich will Journalismus machen. Und ich will endlich im bezahlten Journalismus Fuß fassen. In den acht Jahren, in denen ich nun schon unzählige Stunden mit journalistischer Arbeit verbracht habe, habe ich geschätzt wohl insgesamt rund 1.600 Euro damit verdient. Und nachdem ich im Mai dieses Jahres 28 Jahre alt wurde und mein Masterstudium kurz vor dem Ende ist, wusste ich, dass das nun so etwas wie meine letzte Chance ist. Ja, wahrscheinlich würde es einfacher werden, als „Marketingassistent“ irgendwo reinzukommen, mein Bachelorstudium hat mich ja auch ausreichend auf diesen Bereich vorbereitet. Aber ich weiß: Würde ich dort beginnen, würde ich mich wohl für lange Zeit vom Journalismus, vom Schreiben, also von meiner Leidenschaft verabschieden.

Warum gehts nicht einfacher?

Arbeitslosigkeit nervt. Da gab es Vormittage, wo ich es nicht und nicht schaffte, aus dem Bett aufzustehen. Weil es keinen Tagesrythmus , weil es keine Aufgabe für mich gab. Natürlich habe ich meine Projekte, meine Blogs, all das, wie schon all die Jahre zuvor weitergeführt, aber es fehlte die große Aufgabe. Und ja, dann gab es Tage, wo ich komplette Serienstaffeln auf Netflix an einem Tag gebingewatched habe. Ich war also der Asoziale, der nicht arbeiten geht, auf der Couch liegt und vom Staat lebt. In Wahrheit fühlte es sich (und fühlt es sich manchmal immer noch) sehr nach einer depressiven Phase oder ähnlichem an. Deshalb bin ich z.B. sehr froh darüber, als freier Redakteur bei der bz-Wiener Bezirkszeitung zu arbeiten (und dabei richtig coole Geschichten machen zu dürfen). Jedes Mal, wenn ich einen Auftrag für eine neue Geschichte erhalten habe, waren das positive Tage. Diese Arbeit machte mich glücklich, weil es eben genau das ist, was ich machen möchte. Deswegen habe ich auch aufgehört, mich arbeitslos zu nennen. Ich arbeite ja nebenbei, bin aber auf der Suche nach etwas Fixem. Sozusagen arbeitssuchend.

Ich habe Bewerbungen geschickt. An die meisten großen und einige kleine Medien. Die großen, die Tageszeitungen oder Wochenmagazine: Sie alle haben mir geantwortet, dass sie aktuell keinen neuen Journalisten suchen, manche erklärten außerdem, dass sie gerade eher dabei sind, die Stellen etwas abzubauen. Dann wurde auch noch ein ganzes Printmedium eingestellt. Es ist also nicht einfacher geworden, kein bisschen. Und auch wenn alles Initiativbewerbungen waren und ich fast mit solchen Antworten rechnen musste, ist es doch ein recht bescheidenes Gefühl.

Vor jedem Termin beim Arbeitsmarktservice habe ich die Nächte davor schlecht geschlafen. Weil ich nichts vorweisen konnte. Nicht einmal die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Weil sich nichts verändert. Weil ich nicht das erbringen konnte, was ich so gerne erbracht hätte. Und jedes Mal fühlte ich mich danach beschissen. Unfähig. Verletzlich und irgendwie auch wie ein Kleinkind. Ein ganz komisches Gefühl.

Da beginnt man sich plötzlich zu fragen, ob es das Richtige ist. Ob die vergangenen Jahre, in denen ich so viel Zeit für Journalismus investiert habe, richtig veranlagt waren. Ob ich statt sieben Jahre durchgehend bei diesem einen Onlinemedium zu bleiben, lieber doch von Praktikumsstelle zu Praktikumsstelle hätte hüpfen sollen, um mehr und mehr Kontakte in die Redaktionen zu knüpfen. Ob mein Traum von einer bezahlten Stelle doch nur eine dumme Utopie ist. Aber dann veröffentliche ich Beiträge und bekomme Feedback wie „Dein Wien-Wachstumsbericht zeigt, dass du ein guter Journalist bist. Ehrlich jetzt. Bravo“. Ihr glaubt nicht, wie sehr ich an solchen Worten zehre. (Ehrlich gemeintes) Lob ist, nachdem ich es nach Jahren nun endlich zulasse, die beste Therapie für mich.

Die zuletzt sterbende Hoffnung

Ich war immer einer der Sorte „Naiver Optimist“. Alles hat sich irgendwie ergeben. Der Weg bis zu meinem Masterstudium war nicht der direkteste Weg, aber am Ende meines mitunter holprigen Weges steht nun bald der Abschluss. Ich halte normalerweise solange am Plan A fest, bis es nicht mehr anders geht. Erst dann denke ich mir , ganz rasch und meist recht erfolgreich, einen Plan B aus.

Plan A hat diesmal nicht geklappt.

Ich werde nach Praktika Ausschau halten, ich werde mich mit Leuten aus zwei jungen Medien treffen. Und kämpfe mich dabei durch die Angst, es nicht zu schaffen und der Gewissheit, dass alles gut werden wird. Plan B sollte bald kommen. Und währenddessen mache ich das, was ich liebe, eben als freier Journalist. Ihr seht also: Ich bin nicht der Schmarotzer, der, der nicht arbeiten will, weil er ja eh 820 Euro bekommt. Ich arbeite nebenbei, wenn ich etwas verdiene, wird das von meiner Mindestsicherung abgezogen.

Eine Arbeitsstelle im Journalismus ist mein großes Ziel. Jetzt habe ich mir noch Zeit bis Ende des Jahres genommen. Sollte es mir bis dahin nicht gelingen, werde ich mich schließlich in anderen Bereichen umschauen müssen. Das wird nerven, aber es muss halt sein.

Das ist sicher das Mindeste

Ich habe jetzt schon einige Tage überlegt, ob ich diesen Text schreiben soll. Es ist komisch, potentiell der ganzen Welt zu erklären, dass man gescheitert ist. Gescheitert an der Vorstellung, dass man bislang schon so viel gute Arbeit geleistet hat, dass sich die Medien um mich streiten werden, anstatt mir fast zeitgleich Absagen zukommen zu lassen. Gescheitert an der Idee, mit 28 Jahren endlich vollkommen alleine im Leben stehen zu können. Gescheitert an so vielen Zielen. Scheitern ist nicht cool, auch wenn ich mir mal extra eine Ausgabe von BrandEins und eine von Psychologie Heute gekauft habe, wo das Gegenteil behauptet wurde.

Es ist verdammt schwierig, nicht irgendwann zu resignieren. Und da gibt es eben Tage, wo ich es nicht schaffe, aufzustehen, um es erneut zu versuchen und andere, wo ich meiner Zukunft vollkommen zuversichtlich gegenübertrete. Das gehört wohl dazu. Das ist wohl ein natürliches Auf und Ab, durch das viele Menschen durchmüssen.

Und bis dahin bin ich froh, die Mindestsicherung zu haben. Sie gibt mir Luft zu atmen, sie gibt mir Zeit, meinen Traumjob endlich zu finden. Und gerade deshalb finde ich die aktuelle Diskussion so derart schäbig. Vor allem, weil immer davon gesprochen wird, die Mindestsicherung senken zu wollen, weil sie sich von schlecht bezahlten 40h Jobs hinsichtlich der Höhe des Geldes nicht mehr wirklich unterscheidet. Dass man dabei die sozialstaatliche Idee, die uns das Mindeste sichern soll, kürzen will und nicht die Lohnarbeit mittels Mindestlohn auf ein passendes Niveau anhebt, das zeigt, wie dumm die Politik manchmal agiert.

Vielleicht hilft meine Geschichte zu verstehen, dass jeder Mal in diese Situation kommen kann. Dass es keine Hängematte ist, in der ich es mir gemütlich gemacht habe. Dass Arbeitslosigkeit scheiße ist und man am liebsten nicht darüber sprechen will. Dass Scheitern eh ganz okay ist, aber mir jetzt bitte bald einmal wieder etwas Positives passieren sollte. Denn ich bleibe, trotz allem, natürlich immer noch zuversichtlich.

Die mobile Version verlassen