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Ich habe die Medienkrise mit Links gelöst

3 mal 10 • September 2017

Zwölfter September, zehn Uhr: Es gibt wie gewohnt etwas verspätet wieder zehn (meiner Meinung nach) interessante Medienlinks. Mit Videos, Flüchtlingskrise und Fake News sowie einer Podcastempfehlung.

1. Ein „ganz offen gesagt“ gelungener Podcast

Auf einmal sprießen sie, die österreichischen Podcasts, die sich in ihrer Qualität immer mehr den gelungenen US-Projekten annähern. Nach Was soll das? von Patrick Swanson und Michael Mayrhofer und Doublecheck aus der Ö1-Redaktion wollen uns nun vier weitere, bekannte Gesichter akustisch den Weg in die Arbeit verkürzen. Julia Ortner (ehemals ORF, News), Eva Weissenberger (ehemals Kleine Zeitung, News), Veronika Dolna (ehemals Die Furche, aktuell News) und Sebastian Krause (ehemals Kleine Zeitung, News) haben in Kooperation mit neuwal.com mit „Ganz offen gesagt“ einen bewusst politischen Podcast gestartet. Ich habe einige Folgen bereits gehört und finde ich wunderbar unaufgeregt und recht flüssig. Komisch wirkte für mich am Anfang nur, dass die im Gespräch befindlichen Menschen transparent ihre Beziehung offenlegen und sich dann auch duzen. Aber das ist wohl natürlich: Nach Jahren in der Politikjournalismusbranche kennt man halt recht viele, ist mit ihnen privat per du und kann so auch freier erzählen. (Und es ist überhaupt falsch, dass Transparenz komisch wirkt, oder?)

2. Holt das kleine Latinum – Quo vadis veritas legt los

Quo vadis veritas wurde gleich bei der Ankündigung mit viel Unmut empfangen. Zugegeben – das Interview mit Dietrich Mateschitz in der Kleinen Zeitung war nicht die beste Werbung. Aber in den vergangenen Wochen und Monaten hat das Projekt zahlreiche großartige JournalistInnen an Bord geholt. Auf der Website beschreibt es sich so: „Sie agiert vollkommen unabhängig und verfolgt das Ziel, an der Wiederherstellung einer gemeinsamen Faktenbasis für eine qualifizierte politische Debatte zu arbeiten. Dieser rekonstruktive Journalismus nimmt nicht für sich in Anspruch, die Wahrheit gefunden zu haben, er bemüht sich aber, ihr mit den Mitteln von Recherche und Datenanalyse so nahe wie möglich zu kommen.“ Klingt spannend, oder? Am 8. September haben sie nun Addendum („das, was fehlt“) gestartet. Dort kann man sich bereits für den Newsletter und den WhatsApp-Newsletter (den man mit „Ave“ aktivieren muss) anmelden. So richtig losgehen wird es in Kürze.

3. Interview mit dem Herrn hinter dem Zwiebelmodell

Nachdem ich mich für meine Masterprüfung durch die ganzen Medien- und Journalismustheorien durchkämpfen musste, ist mir das Zwiebelmodell natürlich ein Begriff. Und es ist sogar (was bei vielen anderen Theorien nicht mehr zutrifft) von einem noch aktiven Kommunikationswissenschaftler entwickelt worden, nämlich von Siegfried Weischenberg. Der Standard hat mit ihm über Donald Trump, über QVV und Medienvielfalt gesprochen.

4. Fake News und Facebook

Evgeny Morozov, weißrussischer Publizist und Experte, spricht im ZAPP-Gespräch darüber, welche Macht wir mit unserer täglichen Nutzung den großen Technologiekonzernen wie Facebook geben – und wie diese mit unseren Daten arbeiten können. Und erklärt, dass es das Betriebsmodell von Facebook und ähnlichen Netzwerken ist, dass sich auch Fake News rasend verbreiten.

5. Der Vorteil von Mobile Journalism

Es gibt ja so Entwicklungen im Journalismus, von denen ich (noch) kein Fan bin. Mobile Journalism z.B. – also wenn mit dem Smartphone direkt vor Ort gedreht, interviewt und zum Teil auch geschnitten wird. (Zum Verständnis: Ich finde es etwas fragwürdig, wenn von JournalistInnen verlangt wird, plötzlich eine Arbeit zu erledigen, die zuvor von viel, viel mehr Menschen bewältigt werden musste.) Eine neue Studie zeigt aber, dass Mobile Journalism einen Vorteil hat: Man kommt näher an die Menschen ran. Im Gegensatz zu einem normalen TV-Team mit Kameramann/-frau und InterviewerIn und einem/r Smartphone-Journalisten/-in bleiben die Leute eher bei einem Menschen mit Smartphone stehen und beantworten eine Frage.

6. Why is bullshit so hard to de-bunk?

Carlos Maza fragt sich, warum immer noch so viele Menschen die Lügen von US-Präsident Donald J. Trump glauben, obwohl sie längst widerlegt sind. Wieder einmal ein gelungenes Vox-Video.

7. Lassen wir jugendliche Medienzweifler selber Medien machen!

Nach dem Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo wurde vielen LehrerInnen in Frankreich erstmals klar, dass es neben dem Fanatismus von Einzelnen noch ein weiteres Problem gibt: Das Zweifeln von vielen. Vor allem SchülerInnen aus den Banlieues zweifelten am Tathergang und zweifelten überhaupt am Wahrheitsgehalt der Medien. France Inter, der größte Sender der öffentlich-rechtlichen Anstalt Radio France, lässt deshalb Banlieue-SchülerInnen selber Reportagen machen. Und – man mag es kaum glauben: Es wirkt.

8. Die Flüchtlingskrise und die Medien – eine Studie

Der Medienwissenschaftler Michael Haller hat gemeinsam mit seinem Forschungsteam analysiert, wie, in welchem Umfang und mit welchem Tenor die Medien über die Flüchtlingskrise zwischen Februar 2015 und März 2016 berichtet wurde. Auch wenn nach der Veröffentlichung geschrieben wurde, dass die Medien „völlig versagt“ hätten, so sollte man sich die Studie noch einmal genauer ansehen.

Ein Medienbashing ist so aber aus der Studie nicht zu lesen. Vielmehr gelingt es Haller mit der Studie, für den allgemein festgestellten Vertrauensverlust zwischen Publikum und Medien (Stichwort „Lügenpresse“) eine Erklärung zu formulieren: Die ausgemachte Konformität der Medien mit ihrer Orientierung an den (politischen) Eliten und der teils bevormundende Tenor hätte in einer Phase unüberschaubar vieler Beiträge dazu geführt, dass eine selektive Wahrnehmung die Einstellungen der Leser prägte. Ein Fazit, was im Kontext der „Versagensdebatte“ beinahe untergeht. (Anna Carina Zappe, de.ejo-online.eu)

9. Wenn die schlechte Kampagne nicht aufgeht

Zum Abschluss noch kurz etwas aus der österreichischen Politik. Efgani Dönmez, ein ehemaliger Grüner und nunmehr ein Kandidat auf der Liste der ÖVP, hat meinen Namensvetter Tarek, dem Moderator der Sommergespräche vorgeworfen, er habe mit Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ein Naheverhältnis, weil er mit ihm zwei Mal auf Urlaub gewesen sei. Einmal waren sie es wirklich, das war vor Jahren, als Kern noch kein politisches Amt innehatte. Der zweite Urlaub solle hingegen passiert sein, als Kern bereits Kanzler gewesen sei – nach Marokko.

Das ist eine Lüge. Und auch wenn Dönmez immer noch dran festhält, wehrt sich der ORF und Leitner nun per Anwalt gegen die Verbreitung von Unwahrheiten. Obwohl sie eine Lüge sind, haben die Beschuldigungen aber vermutlich bereits genug Schaden angerichtet. Respekt, was man alles im Wahlkampf opfert.

10. Meine drei Lieblings-Medientweets des Monats

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Im Zeichen der Wissenschaft Veranstaltungen

Ein gefaktes Wochenende #ajt17

Von 21. bis 23. Juli 2017 war ich wieder einmal in Anif. Die (meine) FH Wien der WKW veranstaltete in Kooperation mit der Tabakfirma JTI Austria die 4. Anifer Journalismustage. Diesmal zum Thema: „Journalistische Glaubwürdigkeit zwischen alternativen Fakten und Fake News“

Alles Fake!

Das Thema lag eigentlich wunderbar auf der Hand, aber in Wahrheit beinhaltet der Titel inkl. Untertitel mindestens drei Themen. Man könnte jeweils drei Tage über „Journalistische Glaubwürdigkeit“, über „Fake News“ und über „Alles Lüge?“ (Lügenpresse) diskutieren.

Eingeladen wurden dafür einerseits Hans-Jörg Vehlewald (Chefreporter Politik der BILD Zeitung) für die Keynote und andererseits die beiden jungen JournalistInnen Alexandra Rojkov (freie Journalistin) und Patrick Swanson (Leiter des „Zeit im Bild“-Social Media Teams für die Leitung des Workshops.

Das Wichtigste war, bereits von Anfang an klarzustellen, dass wir Fake News erst einmal richtig definieren müssen: Denn eine Falschmeldung, ein journalistischer Fehler, ist nicht Fake News. Da geht es um bewusstes Verdrehen von Tatsachen, falscher Interpretation oder vollkommen falschen Inhalten.  Der Tweet von Spangenberg zeigt die 7 Typen – wer sie auf Deutsch lesen möchte: hier entlang.

Mein Zugang: Alles übertrieben

Ich war ja fast so etwas wie ein Rebell: Ich fand, dass die Angst vor dem Verlust der Glaubwürdigkeit maßlos übertrieben … und auch der Kampf gegen richtige Fake News deutlich übertrieben sei. Wenn man nach gelernter journalistischer Ethik, nach bestem Wissen und Gewissen arbeitet und auch transparent seine Recherchewege sichtbar macht, braucht sich um die Glaubwürdigkeit meiner Meinung nach keine Sorgen mehr machen. Und Menschen, die Fake News verbreiten, also wirkliche Fake News, die kann man nicht mit „Real News“ bekehren – die posten solche Dinge, so denke ich, obwohl sie selber wissen, dass sie so nicht stimmen können. Aber diese „Nachrichten“ machen Stimmung, und genau das ist es, was sie wollen.

Zugegeben: Auch nach drei Tagen Diskussion bin ich nicht umgestimmt worden: Aber die Diskussion mir Rojkov, Swanson und uns fünfzehn TeilnehmerInnen hat mich wieder einmal mehr als angeregt. Nach so einem Wochenende fahre ich immer mit ganz viel Ideen und Gedanken im Kopf nach Hause und muss diese erst ordnen. Und manchmal, ein halbes Jahr später, kommt sogar ein eigenes Projekt dabei heraus. Ein Projekt zum aktuellen Thema habe ich zwar noch nicht im Kopf, aber ich hab zumindest gelernt, dass man nicht alles nur Schwarz oder Weiß zu sehen. Zumindest bei dem Thema Glaubwürdigkeit und Fake News.

Der Umgang mit Fake

Swanson hat uns anhand von Best- bis Nicht-ganz-Best-Practice-Beispielen gezeigt, wie Faktenchecks (hier in Form von Videos) aufgebaut werden sollen. Dabei gilt: Nicht versuchen, die ganze Welt zu erklären (oder richtigzustellen), sondern einen kleinen überschaubaren Teil – und dabei die Fake News nicht zu viel Beachtung (bzw. Sendezeit) geben. Rojkov ermöglichte uns eine Skypekonferenz mit einer dpa-Journalistin in New York. Diese erzählte uns, wie die Reaktion zu Trumps Wahlsieg war und wie sich der Journalismus in den vergangenen sieben Monaten seiner Amtszeit verändert hat. Allesamt: Hochspannend!

Geliebt habe ich natürlich die ganzen Diskussionen. Auch wenn das Thema für die kommenden Anifer Journalismustage noch nicht feststeht – am liebsten würde ich mich jetzt schon wieder bewerben. Weil unter mehr als einem Dutzend Gleichgesinnter zu sein, die auch wirklich Lust drauf haben, drei Tage über Medien zu reden, viel zu essen und auch zu trinken und Spaß zu haben – das ist wirklich wunderbar und hab ich leider viel zu selten.

Links und Empfehlungen:

Transparenz:

Die Anifer Journalismustage werden seit vier Jahren vom Journalismus-Institut der FHWien (der WKW) veranstaltet. Die umfangreichen Rahmenbedingungen finanziert dabei JTI (Japan Tobacco International): Zwei Nächte in einem Vier-Sterne-Hotel mit Rundumversorgung und Eintritt zur Jedermann-Premiere werden dabei vom Tabakunternehmen übernommen, die Teilnehmer tragen einen Selbstbehalt von 100 Euro. Ich habe in diesem Jahr freiwillig auf die Jedermann-Karte verzichtet. Einfluss auf die Workshops hat JTI hingegen natürlich nicht. Einfluss auf mich ebenfalls (immer noch) nicht: Ich bin Raucher, sehe es als Suchtmittel und finde, dass das Rauchen noch viel stärker reguliert gehört.

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Ich habe die Medienkrise mit Links gelöst

3 mal 10 • Juni 2017

Ganz ehrlich: Im April und Mai ist nicht viel passiert. Deshalb gibt es erst heute wieder meine 10 Links zu Medienthemen in diesem Monat – sogar rechtzeitig am 10. Tag um 10 Uhr. Ich wünsche gute Unterhaltung.