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Das ist nicht normal.

In den vergangenen Monaten war ich regelmäßig überrascht, schockiert und vor allem fühlte ich mich sehr, sehr hilflos. Es kam mir so vor, als würde sich in unsere Gesellschaft das Gefühl einer gewissen Normalität für etwas entfalten, dass alles andere als normal ist. 

Gleich vorweg: In diesem Beitrag beschäftige ich mich nicht mit der Politik, welche die österreichische Regierung betreibt. Menschen, die mir auf Twitter folgen oder sich auch mal im echten Leben mit mir unterhalten, wissen sehr genau, dass ich kein Fan ihrer Arbeit bin. Aber in diesem Text geht es nicht um ihre Politik, sondern um die Art, wie aktuell in Österreich Politik betrieben wird. 

Es war der ehemalige US-Präsident Barack Obama, der mich nach einigen Tagen Überlegung zum Schreiben dieses Textes gebracht hat. Das folgende Zitat konnte ich 1:1 auf Österreich umlegen und dieses „This is not normal“ schwirrte mir auf Deutsch schon seit Tagen im Kopf herum:

This is not normal. These are extraordinary times. And they’re dangerous times.

Barack Obama in einer Rede an der University of Illinois, 7. September 2018

Das neue Unnormal

Der vermeintliche Terrorsympathisant

Es ist nicht normal, dass der geschäftsführende Klubobmann der Regierungspartei FPÖ einen unschuldigen Menschen als Terrorsympathisanten diffamiert. Es ist nicht normal, dass viele Medien und allen voran die Kronen Zeitung auf diesen Zug aufspringt und tagelang darüber berichtet. Und das alles aus einem Grund: Der Bundespräsident und ein grüner Landesrat haben, medial begleitet, einen „Vorzeige-Asylwerber-Lehrling“ präsentiert, um damit aufzuzeigen, dass das Verbot für junge Asylwerber eine Lehre anzufangen, der falsche Weg ist. Weil Politiker hier das Ansinnen der Regierung offen kritisierten, sah sich die FPÖ verpflichtet, eine Diffamierungskampagne zu starten, zu der sich dann auch noch der EU-Abgeordnete der FPÖ, Herr Vilimsky dazugesellt hatte. Die Tatsache ist: An den Vorwürfen ist nichts dran. In der Presseaussendung der FPÖ liest man jetzt zwar ein Bedauern, aber kein einziges Wort der Entschuldigung. Die Kronen Zeitung räumt ihren Fehler zwar ein, aber während die falschen Berichte halbe Seiten oder mehr bekamen, wird die Korrektur in einer kleinen Spalte abgedruckt.

Fake News

Hier geht es nicht darum, dass immer mehr aggressiv-furchtbare Medien á la Alles roger, Wochenblick oder info-direkt entstehen oder von Ministerien mit Inseraten belohnt werden. Sondern darum, dass Poltikerinnen und Politiker der Regierungsparteien richtigen Journalismus als „Fake News“ bezeichnen. 

Das erste Mal von einem führenden Politiker gehört habe ich es 2017, als die Wiener Stadtzeitung Falter über die Privat-Stiftung des ehemaligen niederösterreichischen Landeshauptmanns geschrieben hat. Der damalige Innenminister, zuvor langjährige Landesrat in Niederösterreich und nunmehr der zweithöchste Mann des Staates (als Nationalratspräsident) kommentierte diese faktisch perfekte Recherche als: „Es ist nichts anderes als Fake News vom Falter“ (Zitat aus kurier.at)

Frau Hartinger-Klein (FPÖ), österreichische Sozialministerin, sorgte für Aufsehen, als sie davon sprach, dass man von 150 Euro im Monat ja auch gut leben könne. Das sorgte natürlich für Aufsehen – wobei Medien den Fehler machten, es auszuprobieren, anstatt eine solche Aussage ganz grundsätzlich als das abzutun, was es ist. Fünfzehn Tage später spricht sie in einem Krone-Interview wieder und betont, missverstanden worden zu sein. Sie erklärt, sie habe über Asylwerber gesprochen – ein Thema, das aber in dem (aufgezeichneten Video-Interview im Studio des Brachialsenders oe24.tv) kurz davor und danach überraschenderweise nicht vorkam. Die Medien, die sie für die 150-Euro-Aussage kritisierten nannte sie „Fake-News-Schleudern“ und zitierte dabei das rechte Blattl Wochenblick (Quelle: kleinezeitung.at).

Oder der Vizekanzler, Heinz-Christian Strache (FPÖ), der auf seiner Facebook-Seite ein Bild des ZIB-Anchorman Armin Wolf postet, in dem er ihn bezichtigt, Fake News zu verbreiten (Quelle: kurier.at). Dafür musste er sich entschuldigen. Oder als er, rund um die Diskussion über den 12-Stunden-Tag, Medien unterstellte, Fake News zu betreiben (Quelle: kurier.at)

Es geht nicht darum, dass jeder Politiker und jede Politikerin die Berichterstattung über ihn oder sie lieben muss. Man kann sich darüber aufregen, wenn man zu hart oder zu unrecht angegriffen wird – aber ihnen Fake News vorzuwerfen, weil man den Inhalt der Berichterstattung nicht mag, erzeugt nur eines: Eine Schwächung der Medien durch die Politik. Wie auch Trump will man JournalistInnen und Medien so in Misskredit bringen, um die „eigene Wahrheit“ auftischen zu können und den wählenden Menschen zu erklären, dass man der oder die Einzige ist, der/die wirklich sagt wie es ist.

Jetzt erzählen wir…

Es ist nicht normal, dass das österreichische Innenministerium einen Mitarbeiter eine „Reportage“ schreiben lässt über eine „schöne“ Abschiebung. Doch genau das passierte im Februar 2018.

Es ist nicht normal, dass die Regierung beschließt, „Arbeitszeitflexibilisierung“ durchzusetzen, und dafür eine umfangreiche Werbekampagne der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung bekommt – unglaublich zeitnah und glücklicherweise auch absolut misslungen. (Quelle: profil.at)

Es ist nicht normal, dass sich Mitarbeiter des Innenministeriums sich im Medienraum rund um einen Untersuchungsausschuss im Parlament unter die JournalistInnen mischen und erst auf Nachfrage zu erkennen geben, wer sie sind, wie der Standard-Journalist Fabian Schmid beschreibt.

Das darf nie normal werden!

All das ist nur ein kleiner Auszug aus Beobachtungen, die ich in den vergangenen Monaten und Wochen beim Konsum zahlreicher Medien gemacht habe. Es gibt noch viel mehr worüber ich schreiben müsste, aber ich möchte mich verhältnismäßig kurz halten und nun zum Abschluss kommen. 

Mir kommt vor, als würden Politiker in Österreich (aber auch in Deutschland und anderswo) das Geheimrezept des US-Präsidenten Donald Trump zu kopieren versuchen. Und das gelingt ihnen in Österreich nur zu gut: Medien diskreditieren, Menschen in Verruf bringen und versuchen, „die eigene Wahrheit“ zu erzählen und so oft zu wiederholen, bis zumindest ein Bruchteil irgendwo hängen bleibt. Oder auch das Werfen von thematischen Nebelgranaten, um von eigentlichen Skandalen abzulenken. Natürlich kann jeder Politiker und jede Politikerin so agieren – es ist nicht verboten. Aber wir als Wahlvolk sollte eine Sache bedenken:

Das ist nicht normal.
Und das darf auch nicht das neue Normal werden. 

Da hängt zu viel dran. Geschwächte Medien können dann noch schlechter als sie es jetzt schon machen, die Mächtigen beobachten. Vorverurteilte Menschen werden einer Hetzjagd ausgesetzt, bis irgendwann die Richtigstellung etwas zu spät kommt. Und in allem arbeitet diese Politiker (alle Rechtspopulisten) mit der Angst. Es gelingt Parteien oftmals einmal das Angstgefühl in den WählerInnen zu entfachen – aber sobald eine Wahl gewonnen ist, muss alles gemacht werden, um diese Angst niemals abflachen zu lassen.

Denn weniger Angst bedeutet weniger Wählerstimmen. Genau das will die österreichische Bundesregierung verhindern. (Und es bleibt zu befürchten, dass die Oppositionsparteien ebenfalls mit dem Wahlmotiv Angst spielen werden, damit die Wählerstimmen wieder zurückkommen.)

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Ich habe die Medienkrise mit Links gelöst

3 mal 10 • August 2017

Zehnter August, zehn Uhr: Es gibt wie gewohnt heute wieder zehn (meiner Meinung nach) interessante Medienlinks. Mit Videos, einem Einblick in die österreichische Verlegergeschichte und den Fehlern im aktuelle Journalismus.

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Im Zeichen der Wissenschaft Veranstaltungen

Ein gefaktes Wochenende #ajt17

Von 21. bis 23. Juli 2017 war ich wieder einmal in Anif. Die (meine) FH Wien der WKW veranstaltete in Kooperation mit der Tabakfirma JTI Austria die 4. Anifer Journalismustage. Diesmal zum Thema: „Journalistische Glaubwürdigkeit zwischen alternativen Fakten und Fake News“

Alles Fake!

Das Thema lag eigentlich wunderbar auf der Hand, aber in Wahrheit beinhaltet der Titel inkl. Untertitel mindestens drei Themen. Man könnte jeweils drei Tage über „Journalistische Glaubwürdigkeit“, über „Fake News“ und über „Alles Lüge?“ (Lügenpresse) diskutieren.

Eingeladen wurden dafür einerseits Hans-Jörg Vehlewald (Chefreporter Politik der BILD Zeitung) für die Keynote und andererseits die beiden jungen JournalistInnen Alexandra Rojkov (freie Journalistin) und Patrick Swanson (Leiter des „Zeit im Bild“-Social Media Teams für die Leitung des Workshops.

Das Wichtigste war, bereits von Anfang an klarzustellen, dass wir Fake News erst einmal richtig definieren müssen: Denn eine Falschmeldung, ein journalistischer Fehler, ist nicht Fake News. Da geht es um bewusstes Verdrehen von Tatsachen, falscher Interpretation oder vollkommen falschen Inhalten.  Der Tweet von Spangenberg zeigt die 7 Typen – wer sie auf Deutsch lesen möchte: hier entlang.

Mein Zugang: Alles übertrieben

Ich war ja fast so etwas wie ein Rebell: Ich fand, dass die Angst vor dem Verlust der Glaubwürdigkeit maßlos übertrieben … und auch der Kampf gegen richtige Fake News deutlich übertrieben sei. Wenn man nach gelernter journalistischer Ethik, nach bestem Wissen und Gewissen arbeitet und auch transparent seine Recherchewege sichtbar macht, braucht sich um die Glaubwürdigkeit meiner Meinung nach keine Sorgen mehr machen. Und Menschen, die Fake News verbreiten, also wirkliche Fake News, die kann man nicht mit „Real News“ bekehren – die posten solche Dinge, so denke ich, obwohl sie selber wissen, dass sie so nicht stimmen können. Aber diese „Nachrichten“ machen Stimmung, und genau das ist es, was sie wollen.

Zugegeben: Auch nach drei Tagen Diskussion bin ich nicht umgestimmt worden: Aber die Diskussion mir Rojkov, Swanson und uns fünfzehn TeilnehmerInnen hat mich wieder einmal mehr als angeregt. Nach so einem Wochenende fahre ich immer mit ganz viel Ideen und Gedanken im Kopf nach Hause und muss diese erst ordnen. Und manchmal, ein halbes Jahr später, kommt sogar ein eigenes Projekt dabei heraus. Ein Projekt zum aktuellen Thema habe ich zwar noch nicht im Kopf, aber ich hab zumindest gelernt, dass man nicht alles nur Schwarz oder Weiß zu sehen. Zumindest bei dem Thema Glaubwürdigkeit und Fake News.

Der Umgang mit Fake

Swanson hat uns anhand von Best- bis Nicht-ganz-Best-Practice-Beispielen gezeigt, wie Faktenchecks (hier in Form von Videos) aufgebaut werden sollen. Dabei gilt: Nicht versuchen, die ganze Welt zu erklären (oder richtigzustellen), sondern einen kleinen überschaubaren Teil – und dabei die Fake News nicht zu viel Beachtung (bzw. Sendezeit) geben. Rojkov ermöglichte uns eine Skypekonferenz mit einer dpa-Journalistin in New York. Diese erzählte uns, wie die Reaktion zu Trumps Wahlsieg war und wie sich der Journalismus in den vergangenen sieben Monaten seiner Amtszeit verändert hat. Allesamt: Hochspannend!

Geliebt habe ich natürlich die ganzen Diskussionen. Auch wenn das Thema für die kommenden Anifer Journalismustage noch nicht feststeht – am liebsten würde ich mich jetzt schon wieder bewerben. Weil unter mehr als einem Dutzend Gleichgesinnter zu sein, die auch wirklich Lust drauf haben, drei Tage über Medien zu reden, viel zu essen und auch zu trinken und Spaß zu haben – das ist wirklich wunderbar und hab ich leider viel zu selten.

Links und Empfehlungen:

Transparenz:

Die Anifer Journalismustage werden seit vier Jahren vom Journalismus-Institut der FHWien (der WKW) veranstaltet. Die umfangreichen Rahmenbedingungen finanziert dabei JTI (Japan Tobacco International): Zwei Nächte in einem Vier-Sterne-Hotel mit Rundumversorgung und Eintritt zur Jedermann-Premiere werden dabei vom Tabakunternehmen übernommen, die Teilnehmer tragen einen Selbstbehalt von 100 Euro. Ich habe in diesem Jahr freiwillig auf die Jedermann-Karte verzichtet. Einfluss auf die Workshops hat JTI hingegen natürlich nicht. Einfluss auf mich ebenfalls (immer noch) nicht: Ich bin Raucher, sehe es als Suchtmittel und finde, dass das Rauchen noch viel stärker reguliert gehört.

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Ich habe die Medienkrise mit Links gelöst

3 mal 10 • Februar 2017

Wenn man die Augen schließt und sich ein paar Tage zurückdenkt, kurz nachdem man in Deutschland ein Knoppers gegessen hat, dann müsste eigentlich der 10. Februar sein, gerade einmal 10 Stunden alt. Und hier sind sie: Meine 10 Links zu Medienthemen in diesem Monat.

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Ich habe die Medienkrise mit Links gelöst

3 mal 10 • Jänner 2017

Zehn kurze Geschichten, zehn Links, zehn Themen mit Medienbezug. Wieder einmal habe ich die Medienblase durchforstet, um euch am zehnten Tag des Monats um zehn Uhr mit zehn interessanten Inhalten zu überraschen.

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Ich habe die Medienkrise mit Links gelöst

3 mal 10 • Dezember 2016

Hier gibts zehn Links zu Entwicklungen in den Medien – für alle Kenner und Interessierte. Viel Spaß damit!