Ganz ehrlich: Im April und Mai ist nicht viel passiert. Deshalb gibt es erst heute wieder meine 10 Links zu Medienthemen in diesem Monat – sogar rechtzeitig am 10. Tag um 10 Uhr. Ich wünsche gute Unterhaltung.
1. Was geschah am 10. Juni?
Am 10. Juni 2006 starb der bekannte österreichische Journalist Hubertus Czernin im Alter von nur 50 Jahren. Er war 1986 maßgeblich an der Aufdeckung der Vergangenheit des späteren Präsidenten Kurt Waldheim während der NS-Zeit beteiligt. In seiner Zeit als Profil-Herausgeber und -Chefredakteur fällt auch die Affäre Groer (übrigens wollte damals ein späterer Präsidentschaftskandidat diese Ausgabe beschlagnahmen lassen) . Er gründete 1999 den Czernin Verlag und beschäftigte sich dabei (erfolgreich) mit dem Thema Kunstraub durch die Nationalsozialisten. Wer mehr über ihn erfahren möchte, dem sei die Wikipedia-Seite, der Nachruf im Profil oder auch der Nachruf im Standard. Die damalige Standard- (und nunmehrige Falter-)Redakteurin Barbara Tóth beschließt ihren Nachruf mit:
„Sein Vermächtnis sind die Geschichten, die er schrieb. Sie haben Österreich verändert.“
2. Was soll das? – Ein vielversprechendes Podcastmagazin
Michael Mayrhofer und Patrick Swanson sind vor kurzem mit einem Podcast namens „Was soll das?“ gestartet und bezeichnen ihn als „Interview-Podcast über die Welt im 21. Jahrhundert“. Die erste Folge, ein einstündiges Gespräch mit Max Schrems, wird trotz der Länge nicht langweilig und bringt definitiv einen Mehrwert (und man hört noch dazu Max Schrems mehrfach Schimpfwörter sagen). Für Folge 2 haben sie sich Melisa Erkurt eingeladen – die biber-Journalistin, die mit „Generation Haram“ die Story des Jahres ablieferte.
- iTunes
- Soundcloud
- und auf allen möglichen weiteren Podcast-Plattformen
3. Böhmermann redet
Böhmermann liebt man, oder man hasst ihn (oder er ist einem wunderbar egal): Aber er hat so einiges zu sagen. Das macht er ja sowieso einerseits in seiner Sendung Neo Magazin Royale und in seinem „Podcast“ Fest und flauschig gemeinsam mit Olli Schulz. Aber hier redet Böhmermann mit dem SWR Chefredakteur bei einem SWR Unitalk. Über Medien, Politik, Satire und Welt.
[Oh, Video gelöscht. Tja, kann man auch nix machen.]
4. Überraschung! Medienvertrauen steigt
„Die Medien verlieren an Glaubwürdigkeit!“
„Fake News übernehmen unsere Newsfeeds!“
„Wir werden alle sterben!“
So oder so ähnlich hörte man es in den vergangenen Monaten und Jahren. Die Menschen würden lieber auf Fake News setzen, weil sie doch ihre eigene Meinung besser abbilden könnten. Als ich im Jänner 2017 meine Masterarbeit geschrieben habe, habe ich damals schon Studien gefunden, die mir zeigten, dass das Vertrauen in die „klassischen“ Medien noch genauso da ist und vielleicht sogar stärker als gedacht. Nun gibt es die Eurobarometer-Befragungen der Europäischen Kommission. Und dieser ergaben
Österreichs Befragte vertrauen zu 54 Prozent „der Presse“, zu 42 % nicht, 4 % antworten mit „Weiß nicht“. Im Jahr 2000 hatten noch 42% Vertrauen und 49% nicht. Für Österreich ist der 2016er-Wert aber kein Rekordjahr, das gab es 2007 und 2013 mit 69 % Vertrauen. In Deutschland hingegen ist der 2016er-Wert (56 %) der höchste Wert bis auf das Jahr 2000, wo 59 % den Medien vertrauten:
Beim Eurobarometer ist die Stichprobe normalerweise je 1.000 Befragte im Alter von mindestens 15 Jahren in jedem Mitgliedsstaat, die nach einem Zufallsverfahren (random root) ausgesucht und überall mit dem gleichen Fragebogen interviewt werden. In Deutschland werden seit 1990 jährlich 500 in Ostdeutschland und 1000 in Westdeutschland befragt.
Warum das so ist? Weil es offenbar unterschiedliche Meinungen gibt: Wie das European Journalism Observatory schreibt, ist das Medienvertrauen in Ostdeutschland geringer ist als in Westdeutschland.
5. Euronews und NBC
Euronews, der 1993 gestartete Nachrichtensender aus Lyon, Frankreich strahlt sein Programm gleichzeitig auf Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Portugiesisch, Spanisch, Russisch, Arabisch, Türkisch, Persisch, Ukrainisch, Griechisch und Ungarisch aus. Laut eigenen Angaben erreiche man damit 434 Millionen Haushalte. Nun hat der amerikanische Sender NBC sich eingekauft – ihm gehören zwar nur ein Viertel von Euronews, trotzdem soll es nun zu einem Relaunch als EuronewsNBC mit dem berühmten NBC-Pfau geben.
Mehrheitseigentümer bleibt Media Globe Networks. 2015 hatte sich das Unternehmen des Ägypters Naguib Sawiris eingekauft und besitzt 53 %. Die restlichen 22 % gehören Mitgliedssendern der Europäischen Rundfunkunion, die vor 2015 sämtliche Anteile innehatten.
6. Mit Journalismus (online) Geld verdienen – geht das? Jap.
NZZ.ch schreibt über de Correspondent als Beispiel dafür, wie bezahlter Journalismus gelingen kann. Das niederländische Medienprojekt hat 57.000 AbonnentInnen, diese zahlen 60 Euro pro Jahr, weiteres Geld verdient das Projekt einerseits durch Spenden oder durch den Verkauf von Büchern der AutorInnen. Den JournalistInnen dort werden branchenübliche Löhne bezahlt – das gelingt vor allem, weil die Gründer kaum Gewinne abschöpfen. Werbung gibt es auf der Seite keine. Und jedes Jahr erneuern rund 80 % der Mitglieder ihre Abos.
Wie das geht? Und warum man jetzt in den amerikanischen Markt expandiert, steht in der NZZ. Interessant dazu eventuell auch der Bericht zu Republik, das neue Medienprojekt aus der Schweiz, dass den Crowdfunding-Weltrekord für ein Medienprojekt geknackt hat (schlussendlich waren es 3,4 Millionen Franken, De Correspondent erhielt damals 1,5 Mio. Euro) und nun bereits 13.845 Abonnenten hat – lange bevor es startet. (Nämlich 2018.)
7. Doublecheck: Ein Medienmagazin für Österreich
Der österreichische Radiosender Ö1 hat schon vor einiger Zeit angekündigt, ein Medienmagazin in Österreich zu starten. Darauf hab ich mich ehrlich schon sehr gefreut, aber nach den ersten paar Ausgaben muss ich sagen: Ich habe nicht damit gerechnet, dass das so gut wird. Spannende (z.T. auch Exklusiv-)Einblicke in die österreichische Medienbranche, ihre Verbindung mit der Politik (und umgekehrt) und auch die Kritik am eigenen Unternehmen – all das lässt mich jedes Mal wieder auf eine neue Folge freuen. Abonnierbar via iTunes und allen weiteren Podcast-Apps. Hintergrundinfos und längere Interview gibt es auf der Website.
8. Die 5. OÖ.-Jugend-Medien-Studie der Edugroup
Oberösterreich interessiert sich für die Jugend. Könnte man zumindest glauben. Denn man fragt regelmäßig Jugendliche, Eltern und PädagogInnen, um zu erfahren, wie Medien genutzt werden. Die Ergebnisse sind:
- Das klassische Fernsehen verliert an Relevanz. Konnten 2008 62% nicht darauf verzichten, sind es jetzt 31 %.
- Smartphones können alles, was Jugendliche wollen. Hier kommt übrigens chatten auf Platz 1 (76 %) und Telefonieren erst viel später mit 63 %)
- Eltern haben mehr Vertrauen in den Medienkonsum der Kinder
- Pädagoginnen sind den „Neuen Medien“ aufgeschlossener gegenüber
Befragt wurden hierfür übrigens Jugendliche aus Oberösterreich zwischen 11 und 18 Jahren (n=500; Methode: Interviews), Eltern von Jugendlichen (n=207; Methode: face-to-face) und PädagogInnen aus Oberösterreich aus Neuen Mittelschulen, Polytechnischen Schulen und Allgemeinbildenden Höheren Schulen (n=100; Methode: tel. CATI-Interviews)
9. derStandard.de und Algorithmenliebe
Warum ist Alexandra Föderl-Schmid eigentlich vom Standard weg? Doublecheck (siehe Nr. 7) erklärt, dass es zu einem großen Umbau im Aufbau geben werde. So möchte man einerseits bis Herbst derStandard.de starten, also eine deutsche Anlaufstelle, um deutlich mehr Leute zu erreichen (und mehr Werbegelder lukrieren zu können). Zusätzlich sollen Algorithmen die Zusammenstellung jeder derStandard.at-Startseite überhaben – nicht mehr die Redaktion, sondern der Algorithmus bestimmt dann das Agenda-Setting. (Wobei ich natürlich glaube, dass die Redaktion weiter gewichten kann, welche Beiträge jedeR sehen sollte.
10. Meine drei Lieblings-Medientweets des Monats
Emojis hießen 1893 “Setzerscherze”. Das Internet war damals noch Neuland. pic.twitter.com/6hrEv6BIcK
— Candle (@CandleToGo) 5. Juni 2017
Zu gut. pic.twitter.com/Uyx8sdMEmg
— Christoph (@Schattleitner) 24. Mai 2017
(Für alle Nicht-ÖsterreicherInnen: Hier sehen Sie den MEP Eugen Freund (SPÖ) und die ehemalige ÖVP-Bezirksrätin im 1. Wiener Gemeindebezirk und nunmehrige FPÖ-Politikerin Ursula Stenzel. Beide arbeiteten früher beim ORF.)
From keeping pints and returning to pay bills via #ThingsThatLeaveBritainReeling, @iamjohnoliver on the #LondonAttacks is essential viewing. pic.twitter.com/8PR4ThkCBT
— Sky Atlantic (@skyatlantic) 5. Juni 2017