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Im Zeichen der Wissenschaft

Ein konstruktives Wochenende #ajt16

Von 22. bis 24. Juli 2016 fanden die 3. Anifer Journalismustage statt – diesmal zum Thema „Constructive Journalism“. Ich war zum ersten Mal dabei und bin immer noch ganz beigesitert von den positiven Eindrücken!

Was ist Constructive Journalism?

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Danielle Batist, Journalistin und Mitbegründerin von constructivejournalism.org (Foto: Franz Neumayr für JTI)

Um ehrlich zu sein, habe ich zwar in den letzten Monaten öfter mal davon gehört, aber wohl bis zu diesem Wochenende nicht wirklich verstanden, worum es beim Konstruktiven Journalismus eigentlich geht. Für mich hatte das Bild von Constructive Journalism, das ich in meinem Kopf hatte, stets den fahlen Beigeschmack des „Weglassens von negativen Inhalten“. Dass es in Wahrheit jedoch ganz anders ausschaut, habe ich bereits bei der Keynote, gehalten von der sehr inspirierenden und hochmotivierten niederländischen Journalistin Danielle Batist, erkannt.

Auf der Website constructivejournalism.org wird Constructive Journalism so definiert:

We define constructive journalism as rigorous, compelling reporting that includes positive and solution-focused elements in order to empower audiences and present a fuller picture of truth, while upholding journalism’s core functions and ethics.

Viel wichtiger zum Verständnis sind auch noch die drei Punkte, was Constructive Journalism nicht ist:

  • Fluff / ‘Good news’
  • Advocacy journalism
  • Government influenced ‘development journalism’

Das deutsche Wikipedia fasst es auch kurz zusammen:

Konstruktiver Journalismus ist eine Strömung im Journalismus, die Prinzipien aus der positiven Psychologie in den Journalismus einbezieht. Konstruktiver Journalismus berichtet bewusst über positive Entwicklungen, um ein einseitiges negatives Weltbild bei den Lesern zu verhindern. Probleme werden nicht ignoriert, sondern um die Diskussion möglicher Lösungsansätze erweitert.

Warum ist Constructive Journalism so wichtig?

Zwei Mal wurden wir Teilnehmerinnen und Teilnehmer (10 Frauen, 3 Männer) gefragt, was wir empfinden, wenn wir Nachrichten konsumieren. Einmal ganz allgemein, ein weiteres Mal spezifisch zu Wirtschaftsjournalismus. Und beide Male war es für mich sehr erschreckend, welch negatives Bild wir von der aktuellen Berichterstattung haben.

Wir empfinden, dass sich die Welt/-wirtschaft in einem viel schlimmeren Zustand befindet, als sie wirklich ist. Mitschuld haben dabei (etwas verallgemeinernd gesagt) die Medien, die dieses Bild in den Köpfen der RezipientInnen kreieren bzw. nicht widerlegen. Warum machen sie das? Warum zermürben sie die Leserinnen und Leser? Was bringt es den Medien? Verkauft sich eine konstruktive Geschichte schlechter als eine negative?

Konstruktiver Journalismus könnte also Rettung für beide Seiten sein: einerseits für die LeserInnen, die die Welt wieder etwas vom vermeintlichen Abgrund abrücken sehen, andererseits auch für die JournalistInnen, die nach Jahren in diesem Bereich oftmals zynisch und frustriert werden.

Der Workshop

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Die konstruktive Crew: Danielle Batist (constructivejournalism.org), Lukas Sustala (NZZ.at) und Maren Urner (perspective-daily.de) (Foto: Franz Neumayr für JTI)

Nach der Keynote von Danielle und der ersten Essenspause legten Maren Urner und Lukas Sustala mit dem Workshop los: Maren gehört zum Gründerteam von perspective-daily.de, einem neuen, bislang erfolgreich crowdfinanzierten Medium, welches täglich eine konstruktive Geschichte liefert. Lukas begann bei derStandard.at und ist seit Beginn bei NZZ.at mit dabei. War mir Marens Medium bislang völlig unbekannt (es startete erst Ende Juni), so kannte ich NZZ.at natürlich schon von Beginn an. Warum ich manche Geschichten und Zugänge dort viel lieber mochte als bei anderen Medien, habe ich bei diesem Workshop verstanden: Weil sie eben nicht nur aufzeigen, wie scheiße etwas ist. Sondern auch mal weiterdenken.

What now?

Man müsse die Laswell-Formel um „What now?“ erweitern, so Danielle. Damit haben wir uns von Freitag bis Sonntag beschäftigt. Wir haben uns überlegt, welche Fragen ein Interview einerseits konstruktiv, aber andererseits dadurch auch sehr besonders und oftmals tiefergehender werden lassen. Wir haben auch darüber diskutiert, ob jede Nachricht konstruktiv sein kann – vor allem in Hinblick auf Terror und Amokläufe wie jener in München, der Freitagnachmittag etwas meine Aufmerksamkeit ablenkte. Es ist spannend, denn wenn ich seither verschiedene Beiträge lese, überlege ich recht häufig, wie man hier konstruktiv weiterdenken könnte.

Warum der Workshop so exzellent war?

Wie manche ja wissen, bin ich immer noch auf der Suche nach einer Fixanstellung im Journalismus. Und ja, es ist mitunter frustrierend. Aber während dieser drei Tage sind mir gleich mal drei Geschichten eingefallen (eine bereits vorhandene und zwei neue), für die ich erstmals bewusst einen konstruktiven Zugang wählen möchte. Als wir da mehrmals „klassische“ Beiträge und „konstruktive“ Beiträge zu ein und demselben Thema gelesen haben, wurde mir bewusst, dass mich, obwohl keinerlei „negativer“ Inhalt weggelassen wurde, die konstruktive Geschichte positiver zurückließ. Das war eine sehr spannende und hochinteressante Erfahrung für mich und hat mich motiviert, mich auch nach diesen drei Tagen noch stärker mit diesem Thema zu beschäftigen.

Diese drei Tage haben mich angespornt, den Kopf nicht hängen zu lassen. Vielleicht war es brutale Gehirnwäsche, oder aber auch einfach nur ein konstruktiver Workshop, der in mir etwas Hoffnung hat entstehen lassen. Für meine Berufswahl, für den Journalismus und überhaupt.

Links und Empfehlungen:

Transparenz

Die Anifer Journalismustage werden seit drei Jahren vom Journalismus-Institut der FHWien (der WKW) veranstaltet. Die umfangreichen Rahmenbedingungen finanziert dabei JTI (Japan Tobacco International): Zwei Nächte in einem Vierkonstruktiver-Sterne-Hotel mit Rundumversorgung und Eintritt zur Jedermann-Premiere werden dabei vom Tabakunternehmen übernommen, die Teilnehmer tragen einen Selbstbehalt von 100 Euro. Einfluss auf die Workshops hat JTI hingegen natürlich nicht. Einfluss auf mich ebenfalls nicht: Ich bin zwar noch Raucher, jedoch traue ich z.B. erwachsenen Menschen „im Umgang mit Genussmitteln jeglicher Art ausreichend Verantwortungsbewusstsein“ nicht zu. Denn für die einen (JTI) ist es ein Genussmittel, für viele (wie mich) ein Suchtmittel.

Von Dominik Leitner

Vierunddreißig Jahre, aufgewachsen in Oberösterreich; lebt, arbeitet und verliebt sich regelmäßig unglücklich in Wien – Literarische Texte gibt es hier: Neon|Wilderness

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