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Wahlkrampfparty

Norbert Hofer gegen Alexander Van der Bellen – Was für ein Kampf um den Titel, um die Meisterschaft, um das Präsidentenamt! Warum aber dieser Wahlkampf besonders anstrengend ist.

In fünfzehn Tagen entscheidet sich (man stelle sich nun bitte Trommelwirbel vor) die Zukunft Österreichs. Nachdem jahrelang über die eventuelle Abschaffung das Amtes aufgrund fehlender Kompetenzen diskutiert wurde, vor allem auch von den Grünen und der FPÖ, werden mögliche Horrorszenarien von beiden Seiten an die Wand gemalt.

Spoiler-Warnung: Die Welt geht nicht unter.

Die Wahrheit ist: Ja, sowohl Van der Bellen (der Herr „Ich-gelobe-keinen-FPÖ-Bundeskanzler-an“) als auch Hofer (der Herr „Wenn-die-Regierung-einmal-blöd-hustet-entlasse-ich-sie“) können diese Dinge anhand ihrer Kompetenzen machen. Haben sie gute Berater, werden sie sich aber davor hüten, das „schwache Amt“ des Bundespräsidenten, wie er in der „Realverfassung“ in den Köpfen der Menschen verstanden wird, derart auszuüben. Und, das muss man vielleicht auch sagen: Die Welt geht nicht unter, wenn Hofer Bundespräsident werden würd‘. Österreich wär dann nicht am Abstellgleis. Aber es ist eben doch ein Zeichen: Da gewänne dann der rechts-nationale Burschenschafter einer Anti-EU-/Anti-Islam-Partei, die seit neuestem wieder Südtirol zurückmöchte und sich mit den rechtsnationalen und -extremen Gruppierungen Europas verbündet. Das wärs aber auch schon. (Das hatten wir von 2000-2006 bereits, als die Freiheitlichen in einer viel mächtigeren Position waren.)

Links: Diskutieren wir oder hilft das Hofer?

Die „Linken“ (ich setze sie unter Anführungszeichen, weil ich verhindern möchte, dass mich jemand nach einer Definition der Linken fragt) sind immer noch überrascht: Da ist man laut SORA eindeutig bildungsnäher als all die FPÖ-Wähler, und doch fällt man auf so einfache Manipulation wie mittelmäßige Wahlumfragen herein und wähnt Van der Bellen bereits wochenlang als Sieger. Dann kommt eine typisch „linke“ Reaktion: Eine Demo gegen Hofer. Dann die Diskussion, ob eine Demonstration gegen ihn nicht ihm selbst am meisten helfen würde. Oder das Gieren nach Wahlempfehlungen von „Promis“. Ja, es ist schon bemerkenswert, wenn jetzt sogar Hugo Portisch eine Empfehlung ausspricht, aber ist das ein Grund, Irmgard Griss anzugehen, weil sie von ihren Wählerinnen und Wählern erwartet, dass diese selbst wohl ganz gut wissen, wen sie wählen sollten? Sind selbstbestimmte Menschen nicht das Ziel der Grünen? Oder habe ich irgendetwas falsch verstanden? Und dann jammern auch noch die „Linken“ darüber, dass Van der Bellen „Heimat“ plakatiert, weil für sie Heimat was Rechtes ist und sie wahrscheinlich wohl auch nicht mitsingen, wenn jemand Mallorca-Fendrichs „I am from Austria“ in einer Karaokebar trällert.

Und dann gibt es noch die, die sich darüber amüsieren, dass die Freiheitlichen ihre Plakate preiswert in Bosnien drucken lassen. Oder die, die immer noch über die dumme bildungsferne männliche Parallelgesellschaft diskutieren, die immer noch die FPÖ wählen. Oder auch jene, die sich über Wahlempfehlungen für Hofer von Prominenten echauffieren oder sie lächerlich machen: Warum darf ein Felix Baumgartner, ein Andreas Gabalier oder wer auch immer nicht auch rechts sein? Warum soll der lieber seinen Mund halten, während für „die guten Linken“ interessant sein soll, wen Robert Menasse wählt?

Rechts: Rotfunk! Lügenpresse! Faschistischer grüner Diktator!

Wenn man sich jetzt die „Rechten“ anschaut, wird das Ganze definitiv nicht besser. Nehmen wir uns ein Facebookpostings von ZIB 2-Anchorman Armin Wolf vor. Da beschäftigt er sich mit der Kornblume, mit der die FPÖ bei der Angelobung des neuen Nationalrats einmarschiert ist. Er stellt die Aussagen der FPÖ („Europablume!“, „Freiheitsblume!“) den geschichtlichen Fakten („Zeichen der illegalen Nationalsozialisten in Österreich zwischen 1933 und dem Anschluss 1938“) gegenüber. Hier die Reaktionen, keine direkten Zitate, aber so ungefähr lief das ab: „Eh klar, Rotfunk!“, „Wann berichtets ihr mal über die ganzen SPÖ-Lügen!“, „LÜGENPRESSE!“, „Haben wir keine anderen Probleme? Der Wolf schreibt über a Blume, während uns die Ausländer die Haare vom Kopf fressen oder uns umbringen wollen und vergewaltigen!“ und „Wer jetzt noch GIS bezahlt, is a Trottel!“. Nochmal von vorn: Armin Wolf hat recherchiert, hat den Aussagen von Politikern die recherchierte Wahrheit gegenübergestellt – genau das, was man sich von einem Journalisten eigentlich erhofft. Glaubwürdig ist das aber für die „Rechten“ nicht. Weil ja Rotfunk, Lügenpresse usw. Ich hab das schon von anderen gesehen. Einige SPÖler z.B. jammern über die „schwarze“ Medienlandschaft und dass die SPÖ deswegen immer so schlecht wegkomme. Das ist zwar auch Realitätsverweigerung, aber die „Rechten“ machen das auf einem vollkommen neuen Niveau.

Und Hofer weiß eben auch ganz genau was er tun muss (siehe Benedikt Narodoslawskys Beitrag über Hofers NLP). Den Gegner mal eben „faschistischen grünen Diktator“ nennen, wenn er in einer Halle vor einer riesigen Menge seiner Anhänger steht. Und seine Aussagen abschwächen, wenn er im TV diskutiert. Der kann sich drehen und wenden, wie er will, ist perfekt geschult und wahrscheinlich deshalb so überraschend herausragend. Spannend würde es übrigens werden, wenn Straches Ankündigung von Dezember 2015, das Bundespräsidentenamt mit dem Amt des Bundeskanzlers zusammenzulegen, irgendwann in den nächsten sechs Jahren etwas werden sollte: Würde dann Hofer Strache verdrängen? Würde man sich vielleicht wieder mal aufspalten?

Mitte-Links-Mitte-Rechts: Zerreißproben bis zum geht nicht mehr

Kommen wir zu den Losern: Man muss der SPÖ ja fast dankbar sein. Ihr Suizid auf Raten lenkt ein bisschen vom aktuell und inhaltlich bescheidenen Wahlkampf der beiden Oppositionsparteien ab. Aber auch die Obmanndebatte der Roten ist unglaublich langweilig. Vielleicht, weil ein neuer Kopf an der Spitze der SPÖ nicht automatisch die SPÖ von Grund auf verändern wird. Nur für die ÖVP bzw. Mitterlehner ist sie eine Rettung: Solange sich die Roten selbst zerfleischen, fragt niemand nach, ob es irgendwelche Konsequenzen der Volkspartei geben wird. Für SPÖ und ÖVP ist dieser Wahlkampf sozusagen scheißegal, weil es ja eh keiner von ihnen sein wird. Dass so mancher in der SPÖ aber sich gerade jetzt in Richtung FPÖ öffnen möchte, scheint durchtriebenes politisches Kalkül zu sein. Damit der Wahlsieger 2018, die FPÖ, zumindest nicht vollkommen auf so manchen in der SPÖ vergisst. Da vergisst man auch gerne mal (wieder!) auf Grundsätze oder ähnliches.

Wahlempfehlung: Wählts!

Ich habe gestern meine Stimme per Briefwahl fixiert. Wen ich gewählt habe, dürfte für Menschen, die mich kennen, kein Geheimnis sein. Und trotzdem: Politik könnte so interessant sein. Die österreichische Politik ist es halt leider gerade so überhaupt gar nicht. Die ist nämlich viel mehr peinlich. Wenn es für euch eine Wahl zwischen Pest und Cholera ist, geht bitte noch einmal in euch und überlegt, welche Krankheit für euch in den kommenden sechs Jahren besser aushaltbar sein wird. Von der direkten politischen Macht würde ich aber eher von einer Wahl zwischen Husten und Schnupfen sprechen. Aber sinnlos ist dieses Amt nicht: Bei meiner Recherche für neuwals „Was ist das Bundespräsidentschaftsamt?“ stieß ich auf Worte des Journalisten Ronald Barazon. „Der österreichische Bundespräsident ist die politische Feuerwehr des Landes. Wenn keine Regierung zustande kommt, wenn das Parlament nicht funktioniert, kurzum, wenn Gefahr in Verzug ist, dann ist es die Aufgabe des Bundespräsidenten, das Land zu regieren und wieder geordnete Verhältnisse herzustellen.“ Nur weil es seit 1945 nicht mehr gebrannt hat, einfach so die Feuerwehr abschaffen? Eben. Und einige mögliche Brandherde sehe ich an vielen Stellen.

Von Dominik Leitner

Vierunddreißig Jahre, aufgewachsen in Oberösterreich; lebt, arbeitet und verliebt sich regelmäßig unglücklich in Wien – Literarische Texte gibt es hier: Neon|Wilderness

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