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Ich hab ja nichts dagegen, dass Asyl ein Menschenrecht ist, aber …

Immer wenn unsere Politik fragwürdige Verschlechterungen in Sachen Asyl beschließt, sprießen die „Asyl ist ein Menschenrecht“-Bilder auf Facebook, dass es nur so eine Freude ist. Ja, Asyl ist auch wirklich ein Menschenrecht – und das ist gut so, aber es ist ein verdammt schlechtes Argument.

Sehen wir es uns einmal an: Am so bezeichneten Asylgipfel haben sich die Regierung, die Vertreter der Bundesländer sowie Vertreter des Städte- und des Gemeindebundes geeinigt. Auf eine „Obergrenze“, oder wie man es den Medien anfangs noch schön verkaufen wollte, auf einen „Richtwert“. Das ist natürlich vollkommener Blödsinn, offenbar verfassungs- und völkerrechtlich nicht vereinbar und schon jetzt zum Scheitern verurteilt. Es wirkt aber ganz einfach so, als wolle man damit den Populisten von rechts etwas Wind aus den Segeln nehmen. Das versuchen SPÖ und ÖVP seit nunmehr einem Jahrzehnt und verlieren Umfrage für Umfrage wieder Prozente an die blaue Partei.

Aber wahrscheinlich hat Vizekanzler Reinhold Mitterlehner schon recht, wenn er sagt, dass diese „politische Einigung“ (als welche sie nun bereits seit zwei Tagen von manchen gefeiert wird) auch eine „Orientierung für die EU“ sein soll. Denn falls die vergangenen Monate zwei Dinge gezeigt haben, dann erstens, dass die österreichische Regierung nur mehr reagiert (und nicht mehr agiert) und selbst das nicht sehr gut, und dass die Europäische Union nicht am Geld für die Beseitigung der Finanzkrisenproblemchen sondern offenbar an fehlender Solidarität mit Flüchtlingen scheitern kann.

Was wären wir für Menschen, wenn wir Flüchtlinge nicht in unser Land lassen, weil „unser Boot“ ja voll sei. Weil heute schon – aufs ganze Jahr hochgerechnet – genug reingekommen seien. Das dürfe nicht passieren, das wäre eine Schande für Österreich. Wenn Innenministerin Mikl-Leitner aber erklärt, dass man Österreichs Attraktivität senken müsse, hat sie vielleicht gar nicht so unrecht, sieht es aber einfach nur von einem anderen Sichtpunkt.

Die Krisenherde im Nahen Osten, vor allem in Syrien und den Bereichen, wie diese dummen IS-Deppen ihr Unwesen treiben, lassen Menschen flüchten. Dass sie nach Österreich oder Deutschland wollen, ist auch logisch – in Ländern wie Ungarn, Tschechien, Polen usw. sind sie ja, und das spricht sich sicher schnell herum, entweder überhaupt nicht willkommen oder sie werden wie Tiere behandelt. Wohin, liebe Menschen, würdet ihr fliehen? In Länder, in denen man am Bahnhof mit Applaus begrüßt wird, oder? (Und in Länder, wo es dem Arbeitsmarkt noch halbwegs gut geht?)

Wenn Menschen mit „Asyl ist ein Menschenrecht“ ankommen, dann denk ich mir: Ja, schön und gut. Ich finde auch, dass Menschen fremder Kulturen unsere Gesellschaft bereichern können. Dass wir keinen Menschen abweisen dürfen. Aber indem wir mit dem Spruch die Politik darauf hinweisen wollen, dass jegliche Einschränkung des Asylrechts eine Sauerei ist, lassen wir dabei gleichzeitig andere Staaten aus ihrer Verantwortung. Das ist, um bei der Feuerwehr-Metapher zu bleiben, die rund um die Obergrenze aufgetaucht ist so, als würde es in Europa brennen, wenige Länder beteiligen sich am löschen, werden gefordert und sind vielleicht auch überfordert – und alles was uns zu sagen bleibt „Feuer löschen ist ein Menschenrecht!“ (was es, soweit ich weiß, nicht ist). Dass da 14 Länder beim flächendeckenden Feuer auf die anderen 14 Länder hoffen und das eigene Wasser nicht verbrauchen wollen, das wird dabei nicht erwähnt.

Jean-Claude Juncker, der Präsident der Europäischen Komission, spricht davon, dass „alles zur Rettung von Schengen“ getan werden muss. Warum? Weil es ums Geld geht: er hat auf „die knapp zwei  Millionen Grenzgänger in der EU, die täglich zur Arbeit gehen, auf 24 Millionen Dienstreisen jährlich in Europa, und 57 grenzüberschreitende Straßenverkehrstransporte“ verwiesen und gesagt: „Wenn Schengen verloren geht, zieht das viele Kosten nach sich“. Das ist zwar natürlich wahr, aber diese Prioritätensetzung ist irgendwie auch traurig.

Die Europäische Union müsste einen EU-Gipfel nach dem anderen abhalten, so wie damals, als es ums Geld (und Griechenland) ging. Sie müsste dafür sorgen, dass jedes einzelne Mitgliedsland, welches ja auch Geld aus den EU-Töpfen bekommt, Flüchtlinge aufnimmt. Sie müsse dafür sorgen, dass jedes Land gleich hohe (mit der Betonung auf hohe) Standards anbietet (und es nicht mehr zu „Raubtierfütterungen“ kommt wie in Ungarn) – also nicht Österreichs Attraktivität senken sondern die Attraktivität anderer EU-Länder steigern. Dass auch die Flüchtlingslager im Libanon mit finanziellen Mitteln versorgt bleiben. Dass die Hotspots an den Mittelmeerländern eine „kontrollierte Flucht“ ermöglichen.

Und während die „politische Einigung“ „Obergrenze“ keine Sanktionsmöglichkeiten beinhaltet (wie denn auch?), soll die EU strikt durchgreifen. Weigert sich ein EU-Land Flüchtlinge nach einer beschriebenen Quote aufzunehmen, soll das EU-Budget für das Land gekürzt oder eingefroren werden. Droht dann das Land damit, die EU zu verlassen, dann soll man es auch gehen lassen. Die EU im aktuellen Zustand ist sowieso kurz davor zu zerbröseln – die erhoffte und erträumte Solidarität untereinander scheint es schon lange nicht mehr zu geben. Deshalb sollte sich die EU nicht mehr von den Nationalstaaten erpressen, sondern es darauf ankommen lassen.

Und doch ist da wieder die österreichische Regierung Mitschuld: Bei den sogenannten „EU-Gipfeln“ kommen die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Länder zusammen. Also auch Bundeskanzler Werner Faymann. Und mit etwas Druck (und Mut) könnte er solche Gipfel fordern. Könnte Verbündete finden. Und im schlimmsten Fall müsste er androhen, für kurze Zeit das Menschenrecht Asyl außer Acht zu lassen. Die Grenzen komplett dicht zu machen, für die internationale Aufmerksamkeit, um das Momentum zu nutzen, um die EU unter Druck zu bringen. Denn aktuell macht diese sich vor allem Sorgen ums Geld. Sorgen wir uns lieber wieder ein bisserl um die Menschen.

Empfehlung: Einen sehr guten Beitrag dazu, was die Regierung in Sachen Flüchtlingsthema in Wahrheit hätte sagen müssen, hat Rudi Fußi auf seinem Blog veröffentlicht. (Ich stimme ihm übrigens nicht völlig, aber zu sehr großen Teilen zu.)

 

Von Dominik Leitner

Vierunddreißig Jahre, aufgewachsen in Oberösterreich; lebt, arbeitet und verliebt sich regelmäßig unglücklich in Wien – Literarische Texte gibt es hier: Neon|Wilderness

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