Kategorien
Kommentare Meta/Privat

Mut zur Differenzierung.

 

Diskussionen sind 2016 erschreckend ermüdend geworden. Ich bin sogar soweit, dass ich in Tweetdeck nun alle Themen, die über eine längere Zeit „trenden“, zu „muten“. Sie also „stumm“ zu schalten und somit voll und ganz zu ignorieren. Nicht, weil ich keine Meinung dazu habe, oder mich die Meinung anderer Menschen nicht interessiere. Aber es gibt heute viel, viel stärker als früher diesen massiven Gegensatz.

Früher war es noch dieses Links gegen Rechts. Das war meist recht einfach zu verstehen: Alles was nur einen Milimeter von der Definition der jeweiligen Person von Links abwich, war automatisch Rechts und zu verurteilen. Et vice versa. Man warf mit Namen um sich, ob „linke Zeck'“, „Nazi“ oder „Diese Streitereien gibt es immer noch, sie sind immer noch langweilig und sie werden wohl nie auch nur einen Hauch spannender werden.

Heutzutage heißt die Diskussion plötzlich Refugees Welcome vs. Rapefugees. Heute ist man entweder Flüchtlingen übermäßig positiv gegenüber eingestellt oder sie sind eine vergewaltigende Horde junger muslimischer Männer aus einer anderen Kultur. Etwas anderes scheint oftmals nicht mehr zulässig.

Mehr Möglichkeiten bietet die Religion. Hier unterscheidet man zwischen Religion ist grundsätzlich scheißeJede Religion ist gleich scheiße, Der Islam ist mehr scheiße als alles andere und Das Christentum ist die einzige Rettung vor der Islamisierung des Abendlandes. Ja, man sieht es auch hier sehr gut: Zwischen „Ich find den Islam ja als Religion irgendwie recht … mittelalterlich“ und „Die Islamisierung des Abendlandes“ findet statt könnte man rein diskussionsrechnisch noch Abermilllionen Argumente und Punkte einfordern. Doch daran scheitern viele heute.

Weitere Themen wären: Ich habe nichts zu verbergen vs. Wir leben in einem Polizeistaat. Ein Polizeistaat, und das sollten jene einmal beachten, die dieses Argument vorbringen, ist z.B. Nordkorea. Oder China. Oder die Diskussion um die „Rettung Griechenlands“ vor dem Staatsbankrott, die einem nur zwischen Züchtigt die verschwenderischen Griechen! und Nieder mit den furchtbaren Deutschen! entscheiden ließ.

War es früher auch schon so ermüdend? Oder bin ich einfach bisher in einer mehrpoligen Welt aufgewachsen – und nach und nach brechen die anderen Pole weg, bis nur mehr zwei übrig bleiben und man sich entscheiden muss? Waren Argumente und Fakten schon immer so irrelevant? Oder sind Hasspostings … wie sagt man so gern … „in der Mitte der Gesellschaft angekommen“? Ist keine ordentliche Diskussion mehr möglich?

(Und ja, ich nenne den Beitrag „Mut zur Differenzierung“, verlasse aber durch mein „muten“ zahlreiche Diskussionen. Vielleicht bin ich aktuell einfach schon zu müde, um die Menschen auf andere Sichtweisen aufmerksam zu machen. Vielleicht bin auch einfach schon zu oft daran gescheitert. Oder aber, vielleicht brauch ich nur wieder mal etwas Abstand oder auch andere Follower.) 

Von Dominik Leitner

Vierunddreißig Jahre, aufgewachsen in Oberösterreich; lebt, arbeitet und verliebt sich regelmäßig unglücklich in Wien – Literarische Texte gibt es hier: Neon|Wilderness

2 Antworten auf „Mut zur Differenzierung.“

Das ist innerhalb zehn Minuten der zweite Onlinebeitrag, der sich mit dieser Thematik befasst, den ich sehe. 2016 scheint also das Jahr der Grautöne und Differnzierungen zu werden. 😉

Ich stehe dem etwas skeptisch gegenüber, weil das, was manchmal wie goldene Mitte aussieht, in Wahrheit nur eine (weitere) Extremposition ist. Beispiel Refugees: „Alle reinlassen“ vs. „keine reinlassen“ – und die „differzenierte“ Lösung wäre dann, halt nur ein paar reinzunehmen. So eine Position wäre aber mindestens eine offene Verletzung bestehender internationaler Verträge, der Menschenrechte, usw. Das ist – auch wenn es so aussehen mag – keine gemäßigte Position, sondern eine extreme. Das gilt natürlich nicht für alle Konflikte, die du hier aufgezählt hast, aber es gibt halt Themen (vor allem Menschenrechtsthemen), da mag es zwar ein großes Spektrum an Kackpositionen geben, stinken tun die trotzdem alle.

Es gibt im Fall Refugees eine differenziertere Lösung, die nicht beinhaltet „nur ein paar reinzunehmen“. Ich will jetzt auf die Schnelle etwas rausposaunen, ohne es voll und ganz durchzudenken, aber es gibt sie. Auch unter Einhaltung internationaler Verträge und Menschenrechte. Mir kommt es einfach so vor, dass es zwei „Parteien“ gibt (nicht im politischen sondern im einfachen gesellschaftlichen Sinne), die einmal „+“ einmal „-“ darstellen, sie brüllen sich gegenseitig nieder und heraus kommt ein Kompromiss, mit dem keine der beiden Seiten zufrieden ist. Und so ist das immer und immer wieder.

Kommentar verfassen

%d Bloggern gefällt das: