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Im Zeichen der Wissenschaft Kommentare

Fast ein wenig zuviel ‚Amore’

Für so manche ist die österreichische Musikgruppe „Wanda“ schon so hip, dass man sie aus Prinzip scheiße finden muss. Erlebt man sie aber einmal live, erkennt man, dass der Hype nicht ganz unberechtigt ist.

Um gleich vorweg ehrlich zu sein: Viele ihrer Lieder hören sich teilweise viel zu ähnlich an. Wenn man aber bewegungslos in einer Meute wilder Fans in der ausverkauften Konzertlokation steht, dann muss man feststellen, dass sie allesamt trotz ihrer Ähnlichkeit verdammt gut sind. Und auch wenn sich die fünf jungen Männer rein outfitmäßig ebenfalls abgestimmt haben, so sticht doch der nackte Oberkörper von Marco Michael Wanda, seines Zeichens der Sänger der Truppe, aufgrund seiner Blässe stark hervor.
Er sonnt sich im grellen Licht der Bühne, raucht eine Zigarette nach der anderen und legt nach und nach mehr Kleidungsstücke ab. Der ganze Abend steht unter dem Motto „Amore“. Und Herr Wanda genießt es, dass ihm viele der mitunter doch banalen Textzeilen vom schwitzenden und gegen den Nichtraucherschutz verstoßenden Publikum abgenommen werden. Die Enge des Raumes im Warehouse, einer der wenigen Veranstaltungsorte von St. Pölten, trägt ihren Teil dazu bei, dass man sich rasch als ein großes Ganzes fühlen muss, um ja nicht als großer Spielverderber dazustehen.

Das musikalische Wunderkind

Sieben Monate ist es gerade einmal her, dass die Band ihr erstes Album veröffentlicht haben, und erst vor knapp einem Jahr wurde mit „Schickt mir die Post (doch ins Spital)“, ihrem ersten kleinen Hit in der Alternativszene, die Marke Wanda geboren. Jetzt werden sie vom Falter als „Wiener Popwunder“ aufs Cover gehievt, laut.de vergleicht ihr Debütalbum mit einer Mozartkugel („zuckersüß und doch komplex“), The Gap verspricht, dass sie ganz groß werden und selbst Der Standard nennt sie die „augenblicklich beste Wiener Band der Welt“. Also muss man sich als Besucher wohl so fühlen wie die ersten Fans von Nirvana Ende der Achtziger. Nur dass für Nirvana häufig der Schmerz das Hauptthema war und für Wanda hingegen die „Amore“.
Und sie alle sind auch heute da: Sie, die auf den Schultern ihres Freundes sitzend um die Aufmerksamkeit des von Marco Michael Wanda zu erhaschen. Er, der jede einzelne Songzeile des ersten Albums und auch des noch nicht veröffentlichten neuen Lieds mitsingen kann. Sie, die sich endlich wieder jung fühlen will und regelmäßig torkelnd die halbe Tanzfläche quert. Und er, dessen motorische Fähigkeiten ausgesetzt haben, als die erste Note von der Band gespielt wurde.

Amore für die Gäste

Nur wenige Wochen bevor die Band das erste Mal den zweiten Platz der österreichischen Albumcharts erreicht hat, lassen sie sich in der ungeliebten niederösterreichischen Landeshauptstadt regelrecht feiern. Und Marco Michael Wanda liebt es auch, mit dem Publikum zu spielen. Er bietet dem wohl einzigen Nichtraucher auf der ganzen Tanzfläche eine Zigarette an, verschenkt den billigen Prosecco, den die Band nach dem kurzen Abgang vor der geplanten Zugabe mitherausgebracht hat und erwähnt sogar den großen Songtextkenner lobend, bevor sie endgültig die Bühne verlassen. Und selbst verzweifelte „Zugabe“-Rufe die fünf nicht mehr hervorholen können.

Der Höhepunkt des Abends war übrigens nicht die Geschichte von Wandas Cousine und Tante Ceccarelli, sondern der Song „Ich will Schnaps“. Textlich geht es um die alkoholische Fluchtmöglichkeit, die wohl jeder von uns schon einmal erlebt hat. Nur dass Herr Wanda wirklich Schnaps will und sich via (überraschend gelungenen) Stagedive zur nächsten Bar tragen lässt, ein Stamperl ext um sich dann wieder auf die Bühne zurücktragen zu lassen, während die Nebendarsteller auf der Bühne sich fast schon in Trance spielen dürfen um die Rückkehr des stimmlichen Heilands zu erwarten. Dass die Geräuschkulisse mit der sich selbst feiernden Meute auf dem Boden zu einem schrillen Ohrenschmerz verkommen, damit muss man bei einem Wanda-Konzert offenbar rechnen.

Was kommt nach Amore?

Spätestens nach dem fünften Song und der dritten Anspielung auf den Hit „Bologna“ und dem Albumtitel „Amore“ weiß der werte Zuhörer dann, wie es ist, wenn man sich zwanghaft mit dem ersten großen Erfolg identifizieren möchte. Wanda ist soviel mehr als „Amore“, so viel mehr als „Bologna“. Vielleicht wäre ein wirkliches Urteil über die Band fairer, wenn sie im Herbst ihr zweites Album veröffentlicht haben. Aber selbst mit ihrer Beschränktheit auf ein Dutzend Lieder haben sie auch mich überzeugt. Die können was. Jetzt dürfen sie nur nicht den großen Fehler machen, und ihren weiteren Erfolg durch Selbstplagiat erzwingen zu wollen. Das eine Lied, das sie uns als Vorgeschmack auf den Herbst dagelassen haben, erstickt aber diese Zweifel vorerst noch im Keim.

Spannend wird dabei auch, ob sich Wanda auch in Zukunft als Wiener Ur-Band sehen will. Der letzte wirklich große Export nach Deutschland, die aus dem Burgenland und Wien stammende Band „Ja Panik!“, ist ja in Berlin hängen geblieben. Aber so groß die Möglichkeiten in der deutschen Bundeshauptstadt auch sein mögen: Das Besondere an Wanda ist ja vor allem das Wienerische. Und natürlich die „Amore“.

Von Dominik Leitner

Vierunddreißig Jahre, aufgewachsen in Oberösterreich; lebt, arbeitet und verliebt sich regelmäßig unglücklich in Wien – Literarische Texte gibt es hier: Neon|Wilderness

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