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10 Dinge, die ich gerne in der Schule gelernt hätte (und 10, die ich umsonst gelernt hab)

Der Tweet einer fast achtzehnjährigen Schülerin brach eine „Bildungsdebatte“ vom Zaun. Beziehungsweise freuten sich die Medien im kompletten deutschsprachigen Raum (!), mal wieder kollektiv über einen einzigen Tweet (!) zu schreiben. Als Mensch, der im Jahr 2007 seine Matura hinter sich gebracht hat und jetzt schon mal etwas im richtigen Leben vorfühlen konnte, kann ich euch nun sagen, was man in der Schule nicht lernt. Obwohl man ja bekanntlich nie für die Schule lernt, sondern immer fürs Leben.

Der Tweet:

Meine persönliche Meinung:

Gedichte! Sind! Großartig! Man sollte viel mehr Gedichte lesen. Aber nicht alte, sondern Neue! Poesie! Come on! (Analysieren kann ich sie maximal auf Deutsch und noch ein bisschen auf Englisch. Nicht auf Französisch. Auf keinen Fall auf Latein oder Spanisch.) Und ein Learning-by-Doing, ein Trial&Error beim Thema Steuern, Miete und Versicherungen, wie Naina mehrfach empfohlen wurde, zeigt, wie notwendig das wahrscheinlich wäre.

Zehn Dinge, die man lernen sollte

  1. Wusstest du, dass es verdammt schwierig ist, die notwendigen Versicherungsjahre für einen humanen Pensionsantritt zusammen zu bekommen? Und dass man sich die Jahre/Monate schon während der Schulzeit/Studiumszeit nebenbei „mitkaufen“ kann, für ungefähr 50 Euro pro Monat. Oder man kauft sie sich später nach … für mehr als 1.000 Euro (für jedes einzelne verdammte Monat). Das hätte man mir gerne mal sagen können.
  2. Kochen. Ja, ich hätte gerne kochen gelernt. Weil ansonsten steht man wochenlang in der Gemeinschaftsküche im Studentenheim und kocht sich tagein, tagaus das Päckchen „Penne in Paprika-Rahmsauce“ von Knorr.
  3. Etwas Arbeitsrecht. Man muss nicht alles wissen, aber die Vorlesung, die ich später in meinem Bachelorstudium gehabt habe, war wirklich eine ganz große Sache. Vor allem wenn nach der Schule erstmal geringfügige und Teilzeitjobs oder Praktikas am Plan stehen, wäre es nicht schlecht, vorher die wichtigsten Hardfacts zu erfahren.
  4. Immer wieder wird darüber geredet, dass eine Programmiersprache eigentlich z.B. eine tote Fremdsprache (LATEIN!) ersetzen sollte. Ich kann mich dieser Forderung nur anschließen, vor allem, weil mein Lateinwissen (entgegen aller Erwartungen) nicht hilfreich war beim Erlernen von Französisch und Spanisch. In der ersten Klasse hatten wir ganz einfaches Programmieren, es hat mich begeistert (leider nicht gefesselt). Aber es wäre definitiv sinnvoller das zu lernen, als z.B. beim „Europäischen Computerführerschein“ eine Prüfung zu Microsoft Access zu machen.
  5. Was mir damals noch gar nicht so richtig bewusst war: Wir brauchen Medienkompetenz. Damit wir lernen, mit Medien richtig umzugehen. Und es irgendwann vielleicht mal schaffen, die olle Lügenpresse endlich von der Wahrheitspresse unterscheiden zu können!
  6. Diesen Punkt nenne ich wahrscheinlich auch nur aufgrund meines Berufes: Stenographie. Ist heutzutage zwar schon „veraltet“, aber das hätte mir ehrlich sehr gut gefallen. (Besser als das russische Alphabet in diesem „Talentförderkurs“)
  7. Politische Bildung. Aber das ist ja schon ein alter Hut: In Österreich ist es im Gymnasium Teil des Fachs „Geschichte“. Und wer weiß, wie weit die Geschichte zurückreicht, der weiß auch, dass da gerne mal die so wichtige politische Bildung auf der Strecke bleibt.
  8. Ein Wunschgedanke, vor allem, weil ich keine Ahnung habe, wie man das lehren soll: Zeitmanagement. Aber das lernt man dann eh wirklich im richtigen Leben. Entweder wie man es erfolgreich hinbekommt, oder wie man innerhalb kürzester Zeit Minuten vor der Deadline eine Abgabe hinbekommt.
  9. Etwas Mietrecht. Weil Vermieter und Makler einerseits gerne horrende Summen verlangen (zurecht?) und andererseits teilweise selber deine neuesten Rechte und ihre neuesten Pflichten kennen.
  10. Das Wichtigste kommt immer zum Schluss: Wir sollten lernen „Nein!“ zu sagen. Mir hätte das zumindest etwas geholfen. Oder vielleicht sollten wir lernen, rechtzeitig Schluss zu machen. Aber das ist wohl eher ein Lifehack, den man sich selbst antrainieren kann. (Oder man muss es vielleicht erst einmal spüren, wie das so ist, wenn man zu allem „Ja!“ sagt.)

Zehn Dinge, die zum Vergessen sind

  1. Die letzten paar Jahre Mathe im Gymnasium. Auch wann das wahrscheinlich wichtig ist,  um gut integriert zu sein. Ist für den praktischen Gebrauch zu 98% unnötig – und für jemanden, der in diese Richtung studieren möchte, sollte es Vertiefungskurse geben. Und dank WolframAlpha verlieren selbst ärgste Funktionen ihre Macht ein kleines bisschen.
  2. Ich hatte es und ich hasste es: Latein. Für mich derart sinnbefreit, diese Sprache zu lernen und zu erfahren, was Caesar und Cicero – und wie sie alle heißen mögen – damals so gesagt haben. (Für Interessierte: Es gibt deutsche Übersetzungen zu kaufen … und kostenlos als eBooks.)
  3. Das Zehnfingersystem habe ich vor über 15 Jahren gelernt. Das heißt: Ich hätte es lernen sollen, hatte aber damals schon ein System (ebenfalls mit zehn Fingern), mit welchem ich eindeutig schneller war, als alle anderen. (Was ich damit sagen will: Jeder soll selbst herausfinden, was einem gut passt.)
  4. Religion in der Unterstufe. Nachem man sich von 6 bis 10 Jahren die süße, liebe Volkschulreligion anhören muss und dann von 11-14 Jahren erneut dieselben Geschichten etwas realistischer dargelegt bekommt, werden die Zweifel größer und die Antworten niemals weniger. Nachdem ich mich mit 14 fast abgemeldet hätte, war ich später froh, es nicht getan zu haben: Religion in der Oberstufe war cool. Sehr viel Ethik, sehr viel Wissen über die Weltreligionen und vor allem auch mal was Kirchenkritisches.
  5. Walther von der Vogelweide. Niemanden interessiert, dass er damals auf einem Steine saß („Ich saz ûf eime steine“). Es gibt schönere literarische Epochen mit großartigeren Werken. Man sollte ihn zwar kurz streifen, aber nicht übermäßig über ihn sprechen.
  6. Der Computerführerschein. Aber vielleicht auch nur für mich, weil ich eben schon viele Jahre zuvor eine Computervernarrtheit begann. Die „Prüfungen“ zu Windows (!), Internet (mit Internet Explorer!), Word, Excel und Powerpoint und Access waren somit für mich nur deshalb interessant, weil wir da an Schul-PCs üben mussten. Hätte den ECDL (der mir jetzt sagt, ich könne mit Office 2003 und Windows 2000 umgehen) also nicht gebraucht.
  7. Unnötig: Technisches Werken. Wir haben damals einen Tresor gebaut, inklusive Code-Eingabe. Viele Stunden Löten, bis schließlich der Code richtig eingespeichert war. Das Problem: Es war ein Tresor aus … Holz. Richtig große, tolle (und sinnvolle!) Projekte hatten wir nie. (Aber dafür hatten wir eine furchtbare Lehrerin)
  8. Die Konditionierung mit der Klingel. Wie sabbernde Hunde wartet man da in der Schule auf jede neue Pause, um eben genau das zu tun, was man jetzt gerade nicht tun kann. Und sei es auch nur ausgiebiges Nichtstun. (Manchmal, wenn es später in der Uni oder FH langweilig wurde, wartete ich oft sehnsüchtig auf eine Klingel. Bis ich bemerkte, dass ich schon groß genug war, und auch einfach so aufs Klo, raus eine rauchen oder wo auch immer hingehen konnte.)
  9. Die Steinzeit halte ich für entbehrlich. Wir haben uns sowohl in der Unterstufe als auch in der Oberstufe so lange mit den Urmenschen und vor allem der Hallstattzeit (Wuhu, wir wohnen nur 42,3 Kilometer von einem Dorf entfernt, welches so berühmt ist, dass es eine Epoche benennt!) Dadurch palaverten wir uns durch die Urgeschichte, streiften dann die Antike um schließlich so bald wie möglich im riesigen Zweiten Weltkrieg zu landen. Hätte lieber mehr erfahren über: Die Kuba-Krise, den Kalten Krieg, 9-11, die Golfkriege (vor allem weil die letzten zwei Dinge ja immer noch relevant sind).
  10. Und das Letzte ist auch das Kleinste: Amöben. Ich war nie ein großer Biologe, aber vor allem diese Kleinstierchen haben es mir außerordentlich nicht angetan. Eventuell relevant, aber ich hab, bis auf den Namen, bereits alles vergessen und seither keines mehr (haha!) gesehen.

Von Dominik Leitner

Vierunddreißig Jahre, aufgewachsen in Oberösterreich; lebt, arbeitet und verliebt sich regelmäßig unglücklich in Wien – Literarische Texte gibt es hier: Neon|Wilderness

5 Antworten auf „10 Dinge, die ich gerne in der Schule gelernt hätte (und 10, die ich umsonst gelernt hab)“

da bin ich ja fast froh, dass ich in der hak war – arbeitsrecht, mietrecht, steno und (einfachstes) programmieren stand bei mir alles am stundenplan. bei steno hast du aber wirklich nichts verpasst, war nur eine qual und habe ich auch nie wieder benutzt.

Lieber Dominik 🙂
Erst einmal möchte ich meine Begeisterung über deinen Blog ausdrücken- knackig, scharfsinnig und intelligent! Und ich hoffe ich trete dir nicht zu nahe, aber mir ist jetzt grad beim Durchlesen ein winziger Tippfehler aufgefallen –> Bei Punkt 4 von „Zehn Dinge, die man lernen sollte“ ist dir ein „m“ abhanden gekommen 🙂
Ansonsten top!

Liebe Grüße
Dana

PS. Falls du ein paar Minuten deiner Zeit opfern könntest- ich hab gesehen, dass du Journalismus und Neue Medien machst- würde ich auch gerne und hätte eventuell ein paar kleine Fragen dazu 😉

Hey Dana!

Vielen lieben Dank für dein Lob! 🙂 Der Fehler ist schon ausgebessert. 🙂 (Und nein, das Aufmerksammachen auf Fehler ist sicherlich kein Mir-zu-nahe-Treten, bin sehr dankbar dafür!)

Zwecks Infos zum Master meld ich mich bei dir per Mail, okay? (Und zum Durchlesen: Ich habe meinen Weg von Bewerbung bis Aufnahme auch „verbloggt„. 😉

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