All die Möglichkeiten, aber nur einen Plan. Und eine letzte Chance.
Vor zwei Jahren schon kam man plötzlich auf die Idee, mit dem tollen Namen „Generation Maybe“ endlich ein neues Label für „uns“, die Mittzwanziger bis Mittdreißiger zu kreieren. Damit man uns verstehen könnte. Damit man sich über uns ärgern konnte. Dabei scheiterten so viele Erklärungsversuche an diesem „Wir“, welches so unspezifisch ist, dass man auch sagen könnte, in der „Generation 2. Weltkrieg“ gab es ausschließlich Nazis. Auch ich habe mich 2012 in einer Titelgeschichte für das frischluft-Magazin dazu hinreißen lassen, in Wir-Form zu schreiben, jedoch mit dem Ziel, dieses Wir in gewisser Weise zu bekämpfen. Sozusagen den abschließenden Text in dieser Debatte veröffentlichte Sara Hassan auf ihrem neu gestarteten Blog: „Wer ist überhaupt wir? Warum mir das Generations-Gerede auf die Nerven geht.“
Ich mache mir ja ständig Gedanken über das Leben und wollte beinahe schon wieder einen Text schreiben, warum unsere Generation so ist, wie sie ist. Doch in Wahrheit beschreibt dieser folgende Text nur eines: Warum ich so bin, wie ich bin. Das ist das Wichtige, um zu verstehen, worum es mir geht: Vielleicht gibt es da draußen Menschen, denn es ähnlich geht wie mir, aber ähnliches Empfinden macht noch keine Generation. Wir sind kein gemeinsames Kollektiv, schrieb ich damals und das ist natürlich auch heute noch aktuell.
Das Entstehen der Möglichkeiten
Ich könnte meinen Eltern vieles vorwerfen. Dass es von meiner älteren Schwester eindeutig mehr Fotos gibt als von mir, oder dass wir vielleicht öfter auf Urlaub hätten fahren können. Aber wofür ich ihnen ewig dankbar bin, ist, dass sie mir jegliches Hirngespinst ermöglichen wollten und das auch heute noch tun.
Wenn sie von ihrem Heranwachsen erzählen, hört man oft heraus, dass früher ganz einfach vieles nicht möglich war und sich erst nach und nach diese Möglichkeiten eröffneten. Meine Eltern, noch im gesellschaftlichen Korsett eingezwängt, absolvierten Volkschule und Hauptschule, eine Lehre, heirateten früh und kamen schließlich in jener Zeit an, in der so viele Dinge schließlich greifbarer wurden, leistbarer, erreichbarer. Meine Eltern haben sozusagen miterlebt, dass die Welt Schritt für Schritt besser wurde. Und genau dieses Lebensgefühl haben sie mir auch immer vermitteln wollen. Ich müsse nicht auf Anhieb „funktionieren“, ich solle meinen Weg gehen, und ich könne auch scheitern, sofern ich mir zumindest eine Alternative überlege.
Sie haben mich nicht aus dem Gymnasium genommen, als ich die dritte Klasse wiederholen musste. Sie haben weiterhin meine Studiengebühren bezahlt, als ich das zweite Jahr an der FH St. Pölten wiederholen musste. Sie haben mir meinen „Aufstieg“ (zu meinem persönlichen Gipfel, den ich noch immer nicht erreicht ahbe) ermöglicht und mir dabei über alle Holprigkeiten drüber geholfen. Sie wollten mir all das von Anfang an ermöglichen, was für sie erst mit der Zeit möglich wurde. Dafür bin ich ihnen unendlich dankbar, und doch stellt mich genau das vor ein Problem.
Die letzte Chance
Seit 13 Jahren, also seit der Hälfte meines Lebens stehen „Journalist“ und „Schriftsteller“ als Berufswunsch fest. Und seit ich zu studieren begonnen habe, vor sechs Jahren, wollte ich all dem näher kommen, und eigentlich sollte ich jetzt in einer Redaktion sitzen und 40 Stunden die Woche arbeiten und das Geld auf meinem Konto sollte langsam etwas mehr werden. Doch genau das will ich nicht (also bis auf das Geld am Konto). Ich kann es mir nicht vorstellen, will frei sein. Will nicht in dieses Korsett schlüpfen, von dem mir meine Eltern öfter erzählt haben. Und ja, es nervt manchmal sehr, selbst mit 26 Jahren noch zu einem Teil finanziell von meinen Eltern abhängig sein zu müssen. Ich wurde zum Idealisten erzogen, mir wurde das Träumen ermöglicht und die Wohnung bezahlt. Und eigentlich sind es auch meine Eltern, die mich dazu zwingen könnten, nicht die Sachen zu machen, die ich liebe (bei neuwal.com zu arbeiten, ein Buch zu schreiben), sondern jene, die mich auf eigene Beine stellen.
Zwei Jahre studiere ich jetzt noch, und meine Eltern ermöglichen mir auch das. Sie haben Geduld, und sie glauben mir, wenn ich ihnen sage, was ich plane. Was ich für Pläne in meinem Leben habe. Aber nach diesen zwei Jahren, nachdem ich den Titel MA eingepackt habe, ist es erst einmal vorbei. Dann muss der „Ernst des Lebens“ beginnen, dann reicht es nicht mehr aus, einen geringfügigen Job zu haben und nebenbei unzählige Stunden in Leidenschaft und unbezahlten Job zu investieren. Diese zwei Jahre sind jetzt sozusagen meine letzte Chance, mich zu etablieren. Mich so weit zu bringen, dass ich meiner Arbeit (als Journalist und als Autor) nachgehen kann, ohne auf das alte Modell des 40h-Büro-Sitzens angewiesen zu sein.
Zwiegespaltet
Schauen wir uns all das mal an: meine Eltern ermöglichen mir alle Träume, so gut es eben geht. Doch während es damals recht eindeutig nach oben ging, sieht es heute etwas anders aus. Und der Arbeitsmarkt? Der ist sowieso kaputt, und gerade im Wandel. Ich werde meine Chance nützen, werde auch weiterhin träumen und große Ideen entwickeln. Und wenn ich dann in zwei Jahren in einem Büro sitze, mit bezahltem 40-Stunden-Job, dann bin ich eben gescheitert. Aber ich kann dann wenigstens sagen, ich hab es versucht. Das ist ja auch schon was. Und für all die Chancen, für all die Möglichkeiten, bin ich meinen Eltern auf ewig dankbar. Das kann man nicht oft genug sagen.